60 Sekunden für den Brooktorkai
KOLUMNE
Jörg Munzinger schreibt in seiner Kolumne „#urbnhafencity“ über seine Eindrücke und Beobachtungen in der HafenCity. Seine Leidenschaft sind Immobilien, Architektur und Städtebau. Er wohnt in der HafenCity.
Dutzende Passanten drängen sich auf einem schmalen, 2m breiten Gitterrost gegenüber des Spiegelgebäudes. Sie warten 60 Sekunden damit ihnen die Fußgängerampel dann für nur 8 Sekunden Grün anzeigt. Nein, hier geht es nicht um eine Ausfallstraße am Stadtrand, sondern um einen der wichtigsten Entrees für Fußgänger in die HafenCity – den Brooktorkai. Es ist der erste Eindruck für Besucher, die aus dem Kontorviertel über den Wandrahmsteg kommen, um in Hamburgs Vorzeigestadtteil zu gelangen. Auch nahezu jeder, der täglich auf dem Weg ins Büro den Brooktorkai queren muss, wartet auf diesem Gitterrost. Viele jedoch nicht bis es endlich Grün wird. Da die Ampeln nicht intelligent miteinander gekoppelt sind, rauschen die Autos nur stoßweise heran und die Fußgänger nutzen die Gelegenheit bei Rot die leere Straße zu überqueren.
Eine Stadt ist lebenswert, wenn sie ein menschliches Maß respektiert. Das ist an zahlreichen Orten in der HafenCity in exzellenter Weise gelungen, auch in einer urbanen, großmaßstäblichen Dimension. Es gibt viele und spannende Räume um das Quartier zu Fuß zu entdecken.
Ungelöst ist die Anbindung an die Innenstadt. Die Entfernung zwischen dem Brooktorkai zur Mönckebergstraße beträgt 600m. Für die meisten Menschen wäre dies eine akzeptable Wegstrecke zum Laufen. Die „gefühlte“ Entfernung ist jedoch eine andere: nicht Boulevards sondern zugige, breite Hauptverkehrsstraßen müssen überwunden werden. Hinzu kommen teilweise enge, schmale Bürgersteige, Treppenstufen oder Kopfsteinpflaster. Solange man in einer Innenstadt diese Entfernung sogar in der Rush Hour schneller mit dem Auto überwinden kann, als zu Fuß, stimmt etwas nicht.
Die Hafencity soll einmal mit der Innenstadt verschmelzen. Doch an der Situation der Brückenverbindungen in die HafenCity hat sich im Vergleich zu Zeiten des abgeschotteten Freihafens kaum etwas verändert. So gibt es auch heute noch zwischen Brooktorkai und Mönckebergstraße nur zwei Wegeoptionen und damit eine 500m breite Barriere aus geschlossenen Baublöcken und dem Zollkanal. Menschen suchen aber immer direkte Verbindungswege – diese sind derzeit nur für das Auto erschlossen.