Living Bridge – Diskussion im Kesselhaus

Statt Experten Bürger auf dem Podium. Teilnehmer der Diskussion
Statt Experten Bürger auf dem Podium. Teilnehmer der Diskussion
Gewöhnlich verbinden Brücken die Menschen; diese aber spaltet offenbar die Hamburger: Über Baakenhafen und Norderelbe wollen Architekt Hadi Teherani und Investor Dieter Becken ihre "Living Bridge" spannen. Doch das Projekt polarisiert zusehends. Nach einer Meinungsbildung über den Entwurf im Internet – erstmals in Hamburg praktiziert – kamen 170 Besucher zur Diskussion über die "Living Bridge" am Montag ins Kesselhaus, darunter nur wenige Anwohner der Hafencity. Während im Internet noch 60 Prozent für das Projekt votierten, war die Mehrzahl der Stimmen in der öffentlichen Diskussion deutlich dagegen. Und die Kritik wurde schärfer – auch am Verfahren der Internet-Diskussion.

8000 Hamburg haben sich im Internet die Diskussion über die Living-Bridge angesehen; 1583 Beiträge wurden verfasst und 436 Teilnehmer haben sich – teils anonym – registriert. 253 haben an der abschließenden Abstimmung teilgenommen; nur etwa die Hälfte mehr, als Besucher ins Kesselhaus gekommen waren. Und hier waren die Kräfte ausgeglichen: Etwa je ein Drittel outete sich zu Beginn als Befürworter oder Gegner der Living-Bridge.

Bausenator Axel Gedaschko spricht über die neue Form der Bürgerbeteilung
Bausenator Axel Gedaschko spricht über die neue Form der Bürgerbeteilung
Bausenator Axel Gedaschko lobte die neue Form der Bürgerbeteiligung mittels Meinungsbildung im Internet ("E-Partizipation"): "Für uns ist das ein Mehr an Bürgerbeteiligung. Ich habe mich über die Konstruktivität des Diskurses gefreut." Mehrere Zuschauer griffen dagegen die Aussagekraft der Erhebung an: Für die Abstimmung habe man sich anonym anmelden können, zudem sei es möglich gewesen, mehrfach abzustimmen. Das bestritt Rolf Lührs, Organisator der Abstimmung, vehement – die Kritiker blieben aber bei ihren Vorwürfen.
 

170 Besucher, darunter Hadi Teherani, Jürgen Bruns-Berentelg und viele andere am Bauprozess Beteiligte, nahmen an der Diskussion teil
170 Besucher, darunter Hadi Teherani, Jürgen Bruns-Berentelg und viele andere am Bauprozess Beteiligte, nahmen an der Diskussion teil
In der Sache fanden die vier Diskutanten der Podiumsrunde deutliche Worte. Dorle Olszewski, Teilnehmerin an der Internet-Diskussion: "Das Ding erinnert an eine Eisenbahnbrücke, über die ein Containerzug fährt". Kritik übte sie auch an wirtschaftlichen Aspekten des Projekts: "Die Investoren bekommen Grundstücke geschenkt, aber die Grundstücke in der Umgebung werden eklatant an Wert verlieren".

"Die Versperrung der Sichtachsen berührt die Hamburger Identität in ihren Grundfesten", sagte Hans-Jürgen Maass, ebenfalls Teilnehmer an der Internet-Diskussion. "Was hier geplant wird ist ein Frevel. Nichts ist so tot, wie die 'Living Bridge'". Sein Fazit: "Wenn man die Brücke an der Stelle baut, reisst man mit dem Hintern mehr ein, als man mit den Händen aufgebaut hat."

Er sei – wie viele Nachbarn in der Hafencity – aufgeschlossen für moderne Architektur und anfangs durchaus angesprochen worden vom Projekt, sagte Michael Klessmann, Anwohner der Hafencity und Herausgeber der Hafencity-News. Allerdings trenne die Position der "Living Bridge" einen Teil des Hafens ab. Weniger Schiffe würden vor dem Kaiserkai vorbeigleiten und so genau das zunichte gemacht, warum viele Anwohner eigens in die Hafencity gezogen sind: "Das ist das erste Stück vom Kuchen, das abgeschnitten wird – und den maritimen Charakter der Hafencity zerstört"

Frank Lamers, Teilnehmer an der Internet-Diskussion,  bezeichnete die Beeinträchtigung der Sichtachsen von den Elbbrücken als "nicht bedeutend". Dagegen biete die Living Bridge "endlich mal eine Möglichkeit, als Radfahrer und Fußgänger die Elbe zu überqueren".

Zum Ende der Veranstaltung wollte Moderator Marcus Birzer noch wissen, wer im Verlauf des Abends seine Meinung geändert habe – etwa 20 Zuhörer erhoben sich. Eine hohe Zahl, befand Birzer. In welche Richtung sich die Anwsenden umentschieden hatten, bleib allerdings unerforscht.