Oberbaudirektor hat keine Lust auf Verkehr
Stadt im Dialog – Innenstadtentwicklung
Es ist schon erstaunlich, wie viele Menschen sich in Hamburg seit kurzem für alle Aspekte der Stadtplanung interessieren. Aktuelles Beispiel ist die Vorstellung des Hamburger Innenstadtkonzeptes für die Entwicklung in der näheren Zukunft. Der Schauplatz: Das erst wieder neu eröffnete Passagekino, oberer Saal. Die Menschen sitzen selbst auf den Treppenstufen, rund zweihundert Zuhörer sind anwesend. Darunter Stararchitekt Hadi Teherani, HafenCity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg und viele mehr, die in Hamburg an der Stadtplanung mitwirken. Auf dem Podium der Macher des Innenstadtkonzeptes Oberbaudirektor Jörn Walter, flankiert von Pröpstin Ulrike Murmann, Heinrich Grüter vom Trägerverbund Innenstadt und Architekturkritiker Gert Kähler. Moderiert vom gut informierten Herbert Schalthoff entwickelt sich schnell nach dem allgemeinen Vorgeplänkel und der groben Vorstellung des Konzeptes eine interessante Diskussion.
Überschattet wird die Vorstellung vom kurz zuvor stattgefundenen Zusammenbruch der Regierungskoalition. Jörn Walter äußert schon in der Vorstellung Bedenken, ob die Broschüre zum Konzept überhaupt hätte verteilt werden können, da Stadtplanung in zunehmenden Maße auch politisch ist. Erkennbar ist auch, dass die Anbindung der HafenCity im Zusammenhang mit der Innenstadt und Wohnen in der City die zukünftige Stadtplanung noch lange Jahre beschäftigen werden. Wo bestehen Möglichkeiten das Wohnen in der Innenstadt möglich zu machen und wie sind die zukünftigen Wegebeziehungen zwischen HafenCity und Innenstadt. Erkennbar dabei: Trotz struktureller Planung ist nirgendwo ein echtes Verkehrskonzept für den innenstadtnahen Raum zu sehen. Dieser Mangel fällt auch den Zuhörern auf und provoziert Fragen.
Wie kann man eine Reduzierung der Hürde der Ost-West-Strasse planen, ohne die Verkehrsplanung mit einzubeziehen? Eine Reduzierung der Spuren und die Herstellung eines Allee-Charakters klingt klasse, nur wo bleibt der Verkehr? Eine Untertunnelung wird von allen Anwesenden als im Moment nicht realistisch angesehen – was tun? Und der Verkehr über die Ost-West-Straße ist nicht das einzige Verkehrsproblem in der Innenstadt. Eine Erklärung für diesen Mangel liefert Jörn Walter gleich selbst: „Ich habe da keine Lust drauf!“ – und erklärt, dass beim Thema Verkehrsplanung das Gefahrenpotenzial groß ist, dass die öffentliche Diskussion entgleist. Erst alles andere planen und dann über den Verkehr nachdenken. Da bleibt für den Zuschauer ein fader Geschmack zurück und eine Erklärung für manch einen Mangel in den Planungen Hamburgs. Wer kann da mit wem nicht und warum spricht niemand ein Machtwort? Dabei birgt eine solche Ignoranz das Risiko, dass das gesamte Konzept schlicht Makulatur ist. Gerade eine wachsende Innenstadt – mit Wohnungen, noch mehr Büronutzungen und im Idealfall florierendem Einzelhandel – führt zu noch mehr Verkehr. Hier gilt es im Vorwege sich Gedanken zu machen, solange man noch die Chance hat etwas zu ändern, und nicht erst hinterher.
Die Ost-West-Straße ist das Ergebnis einen solchen Schabernacks – mehr davon kann sich Hamburg nicht leisten. Der Rest der Diskussion ist schnell erzählt. Architekturkritiker Kähler glaubt nicht an ein Zusammenwachsen der City mit der HafenCity und findet das auch nicht schlimm. "Ich sehe die Hausfrau noch nicht, die mit dem Armanitütchen vom Neuen Wall ins Überseequartier wechselt." Jörn Walter ist optimistisch, dass zwei Schlüsselmaßnahmen – der Umbau des Deichtorknotens und eine neue Meßbergbrücke am historischen Ort Entlastung bringen werden. Ulrike Murmann hat den Glauben an einen Tunnel noch nicht ganz aufgegeben und Heinrich Grüter fragt sich, ob man unter den Umweltvorgaben und den Folgekosten überhaupt noch günstigen Wohnraum schaffen kann. Schlusswort Murmann: „Von der Hafencity geht ein Druck auf die anderen Quartiere aus, der auch dort Veränderungen fördert."