400.000 für die Kultur
Entwicklungsland HafenCity
Es ist ja eine lustige Idee: Lass uns mal zwei Überseecontainer zusammenschweißen und ein Schwimmbad daraus machen, das wir zwischen dem Unilever-Gebäude und dem Kreuzfahrtterminal anlegen. Dann verkaufen wir das Ganze als Kunst und es gibt auch noch Fördermittel. Ein genialer Schachzug von Dirk Paschke und Daniel Milohnic, denn wenn die beiden mit der gleichen Idee ohne das Kunstattribut angekommen wären und in Hamburg nach einer Fläche für eine Temporärnutzung gefragt hätten, hätten sich ihnen eine Unzahl von Bedenkenträgern in den Weg gestellt. „Jaahaa, klingt zwar nach einer ganz netten Idee, aber wer sagt uns denn, dass sie die Fläche auch wieder räumen. Und im Übrigen, für öffentliche Schwimmbäder haben wir besondere Auflagen, sie wissen ja, die Hygiene und so…"
Die beiden wären, wenn sie überhaupt in die Nähe öffentlicher Entscheidungsträger gekommen wären, mit einem Flächenvorschlag kurz vor der Walachei wieder nach Hause gegangen. Glücklicherweise gibt es ja einen vermeintlichen Notstand in Hamburg, und dieser Notstand fokussiert sich in der Phantasie der Kulturschaffenden in einem ganz besonderen Notstandsgebiet – in der HafenCity. Mit geradezu missionarischem Eifer wird gebetsmühlenartig von den Kulturschaffenden und von einigen offiziellen Stellen die kulturelle Ödnis des neuen Hamburger Stadtteils beschworen. Befragt man die Menschen in der HafenCity, ob dieses Empfinden von außerhalb denn auch der Realität entspreche, stößt man wundersamerweise auf Antworten, die so gar nicht zum äußeren Ansehen des Stadtteils passen.
Keiner der Bewohner des Stadtteils empfindet einen Mangel, sondern eher ein Überangebot an kulturellen Angeboten. In fußläufiger Entfernung befindet sich alles, was in Hamburg an Kultur Rang und Namen hat: Angefangen bei den Deichtorhallen, dem Kunstverein und der Galerie der Gegenwart über Dutzende Galerien und Museen, Festivals und kleine Events – und nicht zu vergessen Hamburgs teuerste Kulturinvestition, die Elbphilharmonie. Mangel? Eher nicht. Neu-Allermöhe-West oder Steilshoop können nicht einmal auf den Bruchteil dieser kulturellen Vielfalt blicken, geschweige denn, dass die dort lebenden Anwohner diesen Mangel wirklich bemerken würden. Nun muss man die Motivation der Kulturschaffenden natürlich auch verstehen – in Zeiten knapper öffentlicher Mittel und defizitärer Haushalte ist ein so im öffentlichen Fokus stehender Stadtteil natürlich ein gefundenes Fressen, sowohl als Quell möglicher Mittel, als auch als Mittel zum Zweck um selbst öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen.
Und so gehen so vollkommen unterschiedliche Charaktere wie Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard und HafenCity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg eine Koalition mit gegenseitigem Vorteil ein – und scheinen sich auch zu mögen. Ein zweitägiges Symposium zum Thema Kreativstandort Oberhafen findet nicht, wie früher zu erwarten, in der HafenCity statt, sondern auf Kampnagel, ziemlich weit weg vom eigentlichen Ort des Geschehens. Eigentlich hätte man ja das Symposium auch in der HafenCity stattfinden lassen können – Raum gibt es ja dort auch jetzt schon genug –, doch dort ist im Moment Klausmartin-Kretschmer-Land, Feindesland sozusagen, und außerdem ist es dort zwischen all den unordentlichen Bahnschuppen und Gleisen noch viel zu gefährlich für ordentliche Kulturschaffende. Alles was irgendwie nach zu viel Öffentlichkeit aussieht, soll doch besser in den zivilisierten Regionen der HafenCity stattfinden. Doch es sei den drei Nutznießern der 400.000 Euro – der Kunsthalle, den Deichtorhallen und Kampnagel – das Budget gegönnt. Es liegen harte Zeiten für die Kultur in Hamburg hinter allen, und somit können sie Mittel und Aufmerksamkeit gebrauchen. Um welche Projekte geht es dabei eigentlich?
• Auftakt ist die musikalische Inszenierung „Global Design“ von Christian von Borries an Bord der MS Bleichen (8. bis 10.04.2011). Kampnagel produziert im Bauch eines Frachtschiffes eine Art schwimmendes Bayreuth im Hamburger Hafen. Gezeigt wird eine Trilogie mit großem Orchester und Statements dreier Wirtschaftsexperten: Joseph Vogl (Berlin), Gian Trepp (Zürich) und Wang Hui (Peking). Es entsteht ein Wechselspiel zwischen den Aussagen der Wirtschaftsgrößen und experimenteller Musik: Die Jungen Symphoniker Hamburg treten in kritischen Dialog mit den Experten, die Musiker untermalen, unterbrechen und konterkarieren die Analysen der Weltwirtschaft. Das Projekt wird außerdem durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert.
• Ab Mai lädt der Kunstverein in das Hafenbad der beiden Frankfurter Künstler Dirk Paschke und Daniel Milohnic ein. Direkt an der Elbe neben dem Cruise Center gelegen, werden zwei aneinander geschweißte Überseecontainer temporär zum Schwimmbad umfunktioniert, das nicht nur Kunstprojekt, sondern auch ein Angebot an die Menschen vor Ort ist. Diese soziale Skulptur thematisiert die Umwandlung des ehemals nicht zugänglichen Hafenareals in ein neu entwickeltes Stadtviertel und schafft einen Treffpunkt, der Veranstaltungen vorschlägt, aber auch für Eigeninitiativen der Nutzer offen ist. Beide haben Erfahrung im Schwimmbadbau: In der Kokerei Zollverein in Dortmund existiert schon seit fast zehn Jahren ein ähnliches Schwimmbad und ist dort fester Bestandteil des Sommerprogramms. Klingt so, als könnte Kultur auch Spaß machen – für ernsthaftes Schwimmen sind zwei Überseecontainer allerdings ein wenig kurz, für eine zünftige Poolparty an der Elbe aber genau das Richtige.
• Der international renommierte Künstler Harun Farocki erarbeitet eine Videoproduktion in der HafenCity, die dieses neue Arbeitsumfeld befragt. Farocki untersucht, ob sich Profil und Arbeitsweise von Firmen, die sich in einem frisch entstandenen Stadtteil in neuen Gebäuden ansiedeln, verändern. Das Projekt der „Neuen Auftraggeber“ ist das erste der Initiative in Hamburg und findet in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung statt, die mit ihrer Förderung bürgerschaftliche Prozesse unterstützt. Kuratorin ist Nina Möntmann, die das Projekt in Zusammenarbeit mit den Deichtorhallen realisiert. Die „Neuen Auftraggeber" verfolgen in vielen Ländern Europas eine neue Auffassung von Kunst im öffentlichen Raum: Bürger aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft bekommen die Möglichkeit, durch eine enge Zusammenarbeit mit einem Künstler und einem Kurator, Kunstprojekte mit zu verantworten, die sich mit ihrem lokalen Kontext beschäftigen.