Wo bitte geht es zum Zollamt?

Im alten Zollamt neben der Oberhafenkantine
Im alten Zollamt neben der Oberhafenkantine
Der lange schwere Weg zum Kreativquartier

Wer sich mit dem Thema Oberhafen als eines von Hamburgs zukünftigen Kreativquartieren auseinandersetzen will, sollte sich zumindest vor Ort einmal umgesehen haben. Egbert Rühl von der Hamburg Kreativ Gesellschaft steht nicht in Verdacht, sich nicht im Oberhafen auszukennen, liegt doch sein Büro fast nebenan in der Hongkongstrasse, einige seiner Gäste im Zollamt neben der Oberhafenkantine waren aber sicher das erste Mal am Oberhafen. Rühls Gesellschaft ist im Moment auch der Ansprechpartner für alle Vermietungsfragen – sofern es zur Zeit noch etwas zu vermieten gibt. Vor rund 40 Zuhörern führte er aus, das alle freien Büroflächen inzwischen belegt sind, es aber noch freie Hallenflächen gibt. Für diese freien Hallenflächen wird zur Zeit ein Verfahren entwickelt, wie diese vergeben werden sollen – Interessenten und Projekte gibt es schon reichlich.

Vor allem für diejenigen unter den Anwesenden, die sich nicht schon professionell mit dem Oberhafenareal beschäftigen, waren dann die folgenden Ausführungen gedacht. Im Schnelldurchlauf: Das Areal besteht aus 21.000 qm Bestandsgebäuden, 15.200 qm sind Hallenflächen aber nur 2.000 qm davon frei. Bis 2014/2015 ist das Areal noch eisenbahnrechtlich gewidmet. Mietpreis? 3,50-4€ plus 10 Cent Nebenkosten. Keine Toiletten in den Hallen, undichte Dächer, keine Heizung und kein Abwasser. Die Gebäude sind nicht hochwassersicher, es gibt keine Fluchtwege. Der Oberhafen verschlickt.  Ein Tunnel zur U4 ist in Planung und eine Brücke über den Oberhafen zur City Süd soll gebaut werden.

 

Egbert Rühl(l.) sucht einen Prozess
Egbert Rühl(l.) sucht einen Prozess
Es geht also noch um große Zeiträume, in denen das Oberhafenquartier genau das sein wird was es heute ist: Industriebrache mit vereinzelten Nutzungen aller Art. Wie bei heutigen Diskussionsrunden üblich sollen die Teilnehmer anschließend zu den Fragestellungen und Themenkreisen Arbeitsgruppen bilden und Verantwortliche benennen, doch der Prozess kommt nicht so richtig „in die Gänge“. Woran das liegt zeigt vielleicht ein Blick auf die Anwesenden und deren Motive. Von den rund 40 Gästen gehört eine ganze Reihe zum sogenannten Fachpublikum: Die Kulturbehörde hat ihre Abgesandten geschickt, Hamburgs Verwalter für die Gebäude ist natürlich auch da, Stadtplaner und Möchtegern-Stadtplaner, die HafenCity GmbH und natürlich die, die sowieso schon ein Interesse am Oberhafenareal haben sind dabei. Sebastian Libbert von der Oberhafenkantine zum Beispiel, oder Klausmartin Kretschmer.

Die Kreativen, an die sich das Angebot Oberhafen richten soll, sind mit Ausnahme der eh schon im Quartier Arbeitenden nicht da. Ein Umstand der messerscharf von einem der Anwesenden erkannt wird und zur Frage führt „Wo sind denn die Macher?“. Die sind wohl noch im Gängeviertel beschäftigt hat man den Verdacht, denn der Wille zum konkreten Anpacken kommt an diesem Abend nicht wirklich zum Vorschein. Fragen ja – doch am lebhaftesten wird es bei der Frage wer denn überhaupt die Kreativen sind, die am Ende das Areal nutzen dürfen und wer zu den Kreativen gehört. Szenen aus dem „Leben des Brian“ huschen einem durch den Kopf: „Palästinensische Volksfront? – die sitzen da drüben – wir sind die Volksfront Palästina!“ Die meisten die tatsächlich das Wort erheben sind in eigener Sache unterwegs. Der Arbeitskreis junger Architekten hat den Architektursommer nächstes Jahr im Blick und möchte Konzepte erarbeiten, Christian Oehler propagiert sein Oberhafenboot, Rolf Kellner möchte mit Wasser, Lärm und Licht spielen und Kretschmer geht das ganze mit Mathematik an: Rund 100 Einheiten a 140 qm umfasst das Areal „Einfacher Dreisatz – ganz normal" – in Erbpacht vergeben und der HCH abkaufen.

Und findet Christian Oehler vom Fleetschlößchen
Und findet Christian Oehler vom Fleetschlößchen
Zwischendrin eine schlechte Nachricht für alle Sportinteressierte: Rühl verneint die Endgültigkeit der Planungen für die Sportflächen bei der Anfrage einer Landschaftsgärtnerin ob es denn schon konkrete Planungen für die Freiflächen gäbe. Eine Rechtsanwältin fordert ein Rotationssystem für die Belegung. Am Ende stehen zwar Themen auf der Wandzeitung – Egbert Rühl hat aber keinen Macher gefunden. Vielleicht auch deswegen, weil eine Frage schlicht nicht beantwortet wird: „Wer hat die Entscheidungshoheit?“ – eine nicht unbedeutende Frage für die Motivation von Mitspielern, die vielleicht mit einem so noch komplett diffusem Prozess überfordert sind. Oder all diejenigen, die tatsächlich „machen“ können sind wirklich noch mit der Szene näheren Projekten beschäftigt.

Der Eindruck drängt sich auf, dass wenn alle Veranstaltungen so angelegt wären wie diese, könnte eine entschlossene kleine Gruppe den kompletten Gestaltungsprozess dominieren – oder vielleicht schlimmer oder besser je nach Ansicht: Auch in fünf Jahren noch keine Einigkeit über den Weg und Ziel herrschen und sich Verfahren und Prozesse schlicht in der Praxis gebildet haben. Für diesen Abend gehen alle so schlau wie zuvor nach Hause, ein paar wissen jetzt aber immerhin wo der Oberhafen liegt – Lernziel erreicht?

Der Prozess geht weiter: www.kreativgesellschaft.org