Die verkehrte HafenCity – Gutachten bringt Klarheit über Verkehr
Von modalen Splits, Komfortqualität und temporären Einbahnstraßen
In einem Antrag zur nachträglichen Genehmigung von Verpflichtungen – sprich Kosten – im Zusammenhang mit Mehrkosten beim Bau des Fähranlegers und der Anhebung der Sandtorhafenklappbrücke verbirgt sich spannendes Lesematerial. Zum einen erklärt sich der Senat der Bürgerschaft gegenüber, was er an Plänen im Zusammenhang mit dem erwarteten Verkehr rund um die Elbphilharmonie und der westlichen HafenCity zu tun gedenkt, zum anderen befindet sich das komplette neue Verkehrsgutachten im Anhang der Drucksache 20/1215, mit der der Senat seine Planungen begründet. Im Zentrum der Überlegungen befindet sich der Elbphilharmonie-Vorplatz und die Sandtorhafenklappbrücke, die Konsequenzen der Überlegungen reichen aber bis ins Überseequartier. Die gute Nachricht zuerst: Auch das Verkehrsgutachten schließt sich inzwischen den Befürchtungen über das zu erwartende Verkehrsaufkommen und der Parksituation in der HafenCity an. „Er geht dabei zunächst davon aus, dass die Nutzung der Tiefgarage mangels freier Kapazitäten für Besucher einer Abendveranstaltung nur eine untergeordnete Rolle spielen wird, so dass die mit dem Pkw Anreisenden überwiegend in den umliegenden Parkhäusern parken werden. Seitens der Elbphilharmonie-Betreiber werden daher Überlegungen zur Ausgestaltung eines ergänzenden Shuttle-Service zum Parkhaus Überseequartier angestellt“, so die Drucksache.
Die Shuttle-Strecke soll dabei über den Sandtorkai zur Elbphilharmonie führen und über den Dalmannkai zurück zum durch das Gutachten vorgeschlagenen Startpunkt an der San-Franzisco-Straße. Die Spitzenbelastung kann dabei bei 24 Bussen in einer halben Stunde liegen, die in der HafenCity auf der Ringlinie verkehren. Klingt zunächst einmal nach einer praktischen Lösung, um möglichst viele Besucher schnell in die Elbphilharmonie und wieder aus ihr heraus zu befördern. Das Gutachten erkennt aber auch, das für einen reibungslosen Betrieb des Shuttle-Service einige Überlegungen dringend notwendig sind. Im Zentrum dabei – wir erinnern uns an den eigentlichen Gegenstand der Drucksache – die zukünftige Gestaltung der Sandtorhafenklappbrücke und die Verkehrsführung vom und zum Elbphilharmonie-Vorplatz.
Die Empfehlung des Gutachtens für die Klappbrücke ist da eigentlich eindeutig und schlägt eine völlige Neukonstruktion vor, der Senat folgt den Überlegungen aber aus Kostengründen nicht und präferiert die kleine Lösung mit einer möglichen nachträglich gebauten Fußgängerklappbrücke. Diese Variante kommt nach Gutachteransicht immerhin zu einer vertretbaren Verkehrssituation für Fußgänger, der motorisierte Verkehr bleibt aber schwierig zu steuern und erfordert ein komplexes Instrumentarium, um Chaos zu verhindern. Ein Baustein in diesem Puzzle wird die Verlagerung der Strecke der geplanten Buslinie 212 vom Dalmannkai an den Sandtorkai sein. Gutachter und Senat sind sich dabei einig, dass sowieso kein geregelter Linienbetrieb durch die Öffnungen der Klappbrücke möglich sein wird und als Nebeneffekt auch private Linienbusse wie die Doppeldeckerbusse der Stadtrundfahrten aus der Straße Am Kaiserkai ferngehalten werden können, was andernfalls rechtlich nicht möglich wäre. Durch versenkbare Poller sollen zwei temporäre Wendeplätze vor der Elbphilharmonie entstehen, flexible Beschilderung Einbahnstraßen und Sackgassen für unterschiedliche Bedarfe entstehen lassen. In den unterschiedlichen Konstellationen entstehen dann entweder ein oder zwei Sackgassen, in einer Variante kann sogar die Klappbrücke komplett für alle außer den Shuttle-Verkehr gesperrt werden. Welche Konsequenzen haben die Überlegungen des Senates für die westliche HafenCity und den Dalmannkai?
Bei der schwierigen geografischen Lage der Elbphilharmonie dürfte allen Beteiligten klar sein, dass eine 100-prozentige Lösung nicht möglich ist. Weniger Verkehr an der einen Stelle bedeutet mehr Verkehr an der anderen Stelle. Durch die vorgeschlagene Variante werden die Anwohner des Dalmannkais geschützt, den Shuttle-Verkehr müssen diese aber immerhin hinnehmen – bei Konzerten ein nicht unerheblicher Faktor. Dafür fällt der Linienbetrieb der anderen Busse weg, also kein befürchtetes permanentes Lärmpotenzial durch Haltestellengeräusche. Auf der Verliererseite liegen Gewerbe und Gastronomie an der Straße Am Kaiserkai. Der Shuttle-Service wird viele mögliche Kunden im Schnellverfahren von der Elbphilharmonie zum Überseequartier bringen und umgekehrt, der entstehende Busverkehr macht das Straßenprofil zusätzlich unattraktiv und wird zusätzlich Fußgänger auf die Promenaden treiben. Möglicher Trost für die Geschäftsleute: Das Gutachten hatte Beobachtungen zum Besucherverhalten bei der Laeiszhalle zur Grundlage und stellte dort eine geringe Verweildauer vor und nach den Konzerten fest, kommt aber für die Elbphilharmonie zu dem Schluss, dass die dort zu erwartende Verweildauer von Besuchern durch das sehr viel attraktivere Umfeld erheblich höher sein wird. Wen das ganze Gutachten und die Drucksache interessiert: Unter www.buergerschaft-hh.de/parldok befindet sich die öffentlich zugängliche Drucksachendatenbank der Bürgerschaft.