Was macht eigentlich …

Schiffsarzt Dr. Jobst v. Fallois (Foto: DG)

… ein Schiffsarzt?

Sein Arbeitstag hat 24 Stunden und das gleich mehrere Wochen nacheinander. Er ist Seelsorger, Hausarzt und Intensivmediziner zugleich und muss notfalls auch Zähne ziehen. Dr. Jobst von Fallois hat einen Job, um den ihn trotz dieser Belastung viele beneiden: Er arbeitet als Arzt auf Kreuzfahrtschiffen.

Wir haben den Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin an Bord der Hanseatic getroffen. Seit mehreren Jahren ist Dr. von Fallois auf den Weltmeeren für verschiedene Reedereien unterwegs. Diese Reise ist auch für ihn eine besondere: Drei Wochen lang geht es in die Antarktis, und das bedeutet: kein Krankenhaus in der Nähe, keine Möglichkeit, einen Patienten auszufliegen, Kollegen für ein Konsiliargespräch in weiter Ferne.

Der 47-Jährige nimmt es gelassen, obwohl er nach zehn Tagen bereits 200 Patientenkontakte hatte, so viele wie selten. Seine Patienten kommen nicht nur von den 160 Passagieren, die diese Traumreise zum sechsten Kontinent gebucht haben, sondern sind auch unter den rund 120 Besatzungsmitgliedern zu finden. Diese haben einen Extrem-Arbeitstag von zwölf bis 16 Stunden und können – gerade in der Antarktis – oft wochenlang nicht an Land. Da sind die seelsorgerischen Fähigkeiten des Arztes besonders häufig gefragt. Dazu halten dieses Mal kleinere Arbeitsunfälle, Verbrennungen, Stürze, Erkältungen, Grippe und vereinzelt Magen-Darm-Infekte den Schiffsarzt auf Trab, öfter wird er auch nachts konsultiert. Es ist nicht die Grippe, die ihn am meisten alarmiert, sondern die Durchfallerkrankungen: Er verbannt – laut Vorschrift – sowohl den Patienten als auch seinen Partner (oder seine Partnerin) vorübergehend in die Kabine, denn wenn nur zwei Prozent der Reisenden an einem Magen-Darm-Infekt leiden, müssen diverse hygienische Maßnahmen ergriffen werden. Im schlimmsten Fall wird das Schiff im Hafen an die Kette gelegt, und das ist natürlich der Albtraum jeder Reederei.

Mit Seekrankheiten hat Dr. von Fallois so gut wie gar nichts zu tun, obwohl der Wind gerade in der Antarktis teilweise mit zwölf Windstärken bläst. „Auf Seekrankheit sind eigentlich alle gut eingestellt“, sagt der Mediziner, und wenn jemand keine Tabletten oder ein Pflaster dabei hat, hilft die Krankenschwester an Bord aus.

Einen größeren Zwischenfall hat es auf dieser Reise zum Glück nicht gegeben. Kein Beinbruch, kein Herzinfarkt, kein Schlaganfall, keine vorzeitigen Wehen. Der an Bord der Hanseatic vorhandene Hubschrauberlandeplatz hätte da auch nichts geholfen, denn ein Hubschrauber kann nur 280 Kilometer pro Tank fliegen, und damit würde man nie und nimmer einen Landeplatz in Argentinien erreichen. Allerdings ist es unabhängig von der Antarktis nicht ratsam, das Schiff per Hubschrauber zu verlassen: Im Ausland gibt es nur Militärhubschrauber ohne medizinisches Personal an Bord, und da der Schiffsarzt an Bord bleiben muss, würde der Patient unversorgt davon fliegen. Da ist es meistens besser, in Absprache mit dem Kapitän, der immer das letzte Wort an Bord hat, den nächsten Hafen anzusteuern.

Die Hanseatic in der HafenCity (Foto: HLKF)

Allerdings ist die Hanseatic auch für Notfallpatienten bestens ausgerüstet: Neben dem Ordinationszimmer gibt es einen – wenn auch kleinen – OP mit Intensivstation und auch Zahnbehandlungen sind begrenzt möglich. Eine Apotheke ist ebenfalls vorhanden. Für viele Indikationen gibt es Präparate an Bord, für seltene Fälle werden die notwendigen Medikamente im nächsten Hafen bestellt. Chronisch Kranken empfiehlt der Mediziner, ihre Medikamente auf der Flugreise zum Einschiffungsort immer im Handgepäck mitzunehmen, und falls dies einmal nicht möglich sein sollte, wenigstens eine genaue Liste der benötigten Medikamente mit sich zu führen. Irgendein Koffer geht immer mal verloren, und wer dann nur weiß, dass seine Tabletten rosa oder weiß aussehen, dem kann auch der Schiffsarzt nur schwer helfen. Für alle Kreuzfahrer hält der Mediziner außerdem eine Auslands-Krankenversicherung für dringend erforderlich: „Vor allem ein notwendiger Rücktransport kann sonst teuer werden“, sagt er.

Als Schiffsmediziner muss man Allrounder und vor allem innerhalb von Minuten in der Lage sein, nach der Diagnose eine Entscheidung zu treffen. Eines ist sicher: Es wird nie langweilig und nie Routine, und da ist noch etwas: Der Ausblick, wenn der Arzt seine Praxis verlässt, ist immer ein anderer und immer aufs Neue faszinierend.

DG