Mein Leben in der HafenCity. Von Jimmy F.
Tagebuch eines Gefangenen
Was bisher geschah: Trotz aller Freiräume, die Jimmy sich erkämpft hat, ist er der Ansicht, dass es in seinem Leben an Gleichberechtigung fehlt. MaMa (Abk. für Mach Mal etwas Leckeres zu essen) ist viel zu beschäftigt, um mit ihm stundenlang darüber zu diskutieren, ob er den Führerschein machen darf oder nicht, und Madame Madame-Mauvais, die für alle seine Probleme Verständnis hat, ist mal wieder außer Landes …
Trübsinnig liege ich am Fenster und zähle die Regentropfen. In den Regenpausen beobachte ich die Vögel, die sich todesmutig an den Hausfassaden hinunterstürzen und die letzten Spinnen vor dem nahenden Winter ergattern. Langeweile ist angesagt. Geplant hatte ich für diese Woche, auf der Grünen Wiese einkaufen zu gehen. Sie kennen doch sicher diese riesengroßen Katzenfachgeschäfte in anderen Stadtteilen: Kratzbäume in allen Farben und Größen, wunderschöne Halsbänder mit funkelnden Steinen, jede Menge Spielzeug und tolle Dosen und Tüten mit Futter. Höhepunkte solcher Einkaufstouren, zu denen MaMa mich in ihrem Auto mitnimmt, sind die Schaufenster mit Mäusen und Fischen (hmmm) und die Katzenminze, die ich natürlich legal von dem Kater unter der Ladentheke kaufen kann (schnurr). So einen Laden gibt es in unserem Stadtteil leider nicht. Natürlich nimmt MaMa mich mit, wenn Sie mein Futter in dem Laden kauft, in dem es auch Futter für Menschen gibt. Aber da habe ich keine Lust, streunen zu gehen. Ich möchte auf Augenhöhe einkaufen, und Spielzeug für mich haben die auch nicht. Als ich einmal versuchte, ein Überraschungsei zu öffnen, weil ich ja keine „Katze im Sack“ kaufe, hat MaMa an der Kasse einen Schreikrampf bekommen. Wie uncool! Von ähnlich unerfreulichen Szenen berichten auch meine Hundefreunde Henry und Alfredo, die manchmal sogar draußen bleiben müssen. Auch für sie gibt es hier kein Hundefachgeschäft. Die Lösung unseres Problems ist einfach: Einer von uns muss Autofahren lernen, dann schließen wir MaMas Auto kurz und fahren einkaufen! Die Wahl fällt auf mich, weil ich damit angegeben habe, dass ich schon ungefähr weiß, wie man Auto fährt. Das habe ich auf den langen Fahrten zum Tierarzt gelernt. Als ich aber versuche, in MaMas Auto einzusteigen, muss ich feststellen, dass ihr kleines Auto für mich immer noch zu groß ist. Also muss ich erneut in Verhandlungen gehen: MaMa muss davon überzeugt werden, dass ich ein eigenes Auto brauche! Und dafür habe ich gute Argumente: In unserem Stadtteil ist die ärztliche Versorgung für mich und andere Vierbeiner nämlich nicht gesichert. Ständig müssen unsere MaMas freinehmen, um mit uns in die umliegenden Stadtteile zum Arzt zu fahren. Die einfachste Wurmkur dauert dadurch Stunden, und im Notfall – zum Beispiel wenn ich wieder mal eine leckere Plastiktüte gegessen habe – ist auch kein Arzt in der Nähe. Hätte ich ein Auto und könnte selber fahren, bräuchte MaMa nicht wieder Hals über Kopf ihren Arbeitsplatz zu verlassen. Bin ich nicht genial? (JF)