Damit es alle verstehen
International Maritime English Conference 2012 in Myanmar – warum maritimes Englisch so wichtig ist
Martin ist ratlos; sein Gepäck ist irgendwo auf dem Weg zwischen China und Myanmar verlorengegangen. Weder Flughafen noch Airline können eine Auskunft geben, wo sich seine Koffer befinden. Ich rate Martin, der nicht in die gängigen burmesischen Kleidergrößen passt, beim Scott Market und zur Junction Square Shopping Mall vorbeizuschauen. Reza und Zena machen sich auf den Weg; Martin wartet lieber im Hotelzimmer: Morgen wird er der Erste sein, der nach der Eröffnungszeremonie der IMEC 24 (International Maritime English Conference) einen Vortrag halten wird.
Wir befinden uns in Yangon; erstmalig der Austragungsort der alljährlich stattfindenden Konferenz, an der Professoren und Lehrer, die maritimes Englisch für angehende Offiziere an Universitäten unterrichten, teilnehmen. 60 Teilnehmer aus aller Welt haben sich angekündigt: Neben Martin aus England sind Professoren aus China, von den Philippinen, Frankreich, Belgien, Deutschland, Schweden, Singapur, der Ukraine, Türkei, Australien, Japan, Kroatien und natürlich aus Myanmar vertreten.
Eröffnet wird die Konferenz vom Honourable Deputy Minister for the Ministry of Transport H. E. U. Han Sein sowie von Prof. Dr. Trenkner, Chairman der IMEC.
Dann übernimmt Martin, dessen Gepäck doch noch am späten Sonntagabend eingetroffen ist und der sich schon an die neuen Hosen und Shirts, die Reza und Zena für ihn auf dem Markt erstanden haben, gewöhnt hatte.
Die Vorträge und Workshops werden vom ersten bis vierten Oktober gehalten – Thema: Maritime English: Improving Communication and Cultural Awareness. Viele der wissenschaftlichen Vorträge sind nur dem anwesenden Fachpublikum verständlich.
Prof. Dr. Naoyuki Takagi von der Tokyo University of Marine Science and Technology hingegen zeigt in seinem Vortrag sehr verständlich auf, was die hauptsächlichen Kommunikationsprobleme zwischen den verschiedenen Nationen sind, wenn es darum geht, sich per Funk auf Englisch verständlich zu machen: Radio Equipment, Vokabular, Sprechgeschwindigkeit, ausländischer Akzent. Doch auch mit Native Speakern treten Probleme auf: Sie sprechen zu schnell, die Mitteilungen sind zu lang, sie benutzen unbekannte Ausdrücke und erscheinen oft arrogant.
Es gibt Lösungen: den Gegenüber bitten, langsam zu sprechen, andere Worte zu nutzen, zu wiederholen, kurze Sätze zu formulieren, standardisierte Ausdrücke zu verwenden, zu buchstabieren und dann das Gesagte zusammenzufassen.
Nicht nur an den aufgezeichneten Dialogen, die zwischen Schiff und Hafen stattfinden, wird verdeutlicht, wie schwer es ist, sich zu verständigen – vor allem, wenn die Kommunikation über Funk geschieht und nicht durch Gesten und Blicke vervollständigt werden kann.
Chinesen sind mit am schwierigsten zu verstehen, geben die Auswertungen von Prof. Dr. Takagi wieder: Am lebenden Beispiel von Prof. Chen, Navigation Institute of Jimei University in China, wird dies gleich klar. Prof. Chen amüsiert die Anwesenden dadurch, dass er jeden Tag aufs Neue etwas verliert oder bei der Sightseeingtour den Tourguide fragt, warum es keine Nonnen, sondern nur Mönche auf den Straßen von Yangon zu sehen giebt. 39 internationale Businsassen rufen zurück: „Chen, just watch out of the window!“ Passend zur Frage laufen gerade einige Nonnen über die Straße. Dass Chen dann fast noch den Bus verpasst, als dieser vom Scott Market Richtung Hafen aufbrechen will und mit einem „I’m here“ schnell noch hineinspringt, wundert niemanden mehr. Auch nicht, dass er im Bus seinen iPod vergisst.
Am Abend gibt eine spontane Einladung der MMU – der Myanmar Maritime University: Ein typisch burmesischer Abend steht an. In einem separaten Raum eines Restaurants werden auf langen Tischen immer wieder Platten mit traditionellem Essen serviert, während auf einer Leinwand Musikvideos laufen – der Gesang kommt von den Gästen: time for Karaoke! Karaoke hat seinen Ursprung in Japan und heißt so viel wie „leere Bühne“. Die asiatischen Teilnehmer sind dann auch die ersten, die das Mikrofon ergreifen und burmesische und chinesische Hits untermalt von kitschigen Videos singen.
„I’m Sailing“ wird dann vom gesamten Publikum mitgesungen – Englisch schweißt zusammen.
Am letzten Tag haben die Delegierten noch Zeit, sich ein örtliches Trainingszentrum für Seefahrer anzuschauen – inklusive eines Rettungstrainings, das für Offshore-Arbeiter angeboten wird. Im großen Pool herrscht hoher Wellengang, es wird Regen, Gewitter samt Donner und Blitz simuliert, während zwei Trainer vorführen, wie man in Gefahrensituationen die Rettungsinsel nutzt. Alle Anwesenden sind begeistert, das unerwartete Spektakel gleicht einem Filmset in Hollywood.
„Lost and Found“ rufe ich, als die Truppe sich auf den Rückweg in den sonnigen Tag macht, und wedele mit Martins Teilnahmezertifikat und Arbeitsunterlagen. Wo ich die gefunden habe, fragt er freudestrahlend. Irgendwo zwischen China und Myanmar, antworte ich. (AF)