Raum für bürgerliche Freiheit

Amsterdam
Amsterdam

Der Turmsaal oder Saal der Republiken

„Concordia parvae res crescunt, discordia maximae dilabuntur.“ – Durch Einigkeit wachsen die kleinen Dinge, durch Uneinigkeit verlieren auch die größten. Dieser lateinische Spruch (Sallust, Jugurthinischer Krieg, etwa 40 v. Chr.) im Turmsaal, über der Tür zum großen Festsaal soll dem „kleinen“, aber stets unabhängigen Hamburg Mut machen, sich gegenüber dem großen, mächtigen Nachbarland Preußen zu behaupten. Auch werden hier Werte beschworen, die in der Politik und im Leben mit Traditionen wichtig sind.

SPQH
SPQH

Der Turmsaal liegt in der städtebaulichen Achse Ballindamm – Rathausmarkt – Rathaus – Börse und genau im Zentrum des Rathauses, im Mittelturm des Gebäudes. Die Rathausarchitekten haben sich eine Achse zwischen der „Außenwelt“ der Bürger und dem Inneren des Rathauses, dem Festsaal, vorgestellt. Hell strömt das Tageslicht in den mit kostbaren Materialien ausgestatteten runden Raum, der einen Durchmesser von acht Metern hat. Die Wände sind bis auf eine Höhe von 2,15 Meter mit Marmor verkleidet, acht prächtige Onyxsäulen aus Marokko lassen die Besucher regelmäßig staunen. Die Säulenkapitelle sind vergoldet. Entlang der hohen Säulen wandert der Blick nach oben in den ausgemalten Kuppelbereich des Raumes. Hier geht es um die Freiheit, natürlich um die bürgerliche Freiheit, und wie man diese erreichen kann. Vaterlandsliebe, Menschlichkeit, Wissenschaft und Sittlichkeit werden hier genannt und gefeiert und gleich Persönlichkeiten zugeordnet, die die Erreichung dieser Tugenden ermöglicht haben, zum Beispiel Schiller, Luther, Kant und Galilei. Professor Alexander von Wagner aus München hat hier Möglichkeiten der politischen und geistigen Freiheit dargestellt. Die duftigen, in Pastelltönen gehaltenen Malereien wirken heute ein bisschen altbacken, ja übertrieben. Man muss die Dekoration der Kuppel im Zusammenhang mit den darunter liegenden Gemälden betrachten: Das Grundthema des Raumes ist die Freiheit und die Unabhängigkeit der Bürger und ihrer Stadt Hamburg. Der andere Name des Raumes „Saal der Republiken“ hängt eng mit der Geschichte der unabhängigen Stadt zusammen. Hamburg ist in seiner Geschichte überwiegend unabhängig gewesen. Erst 1888 wurden Hamburg und Altona ins Zollgebiet des Deutschen Reiches eingegliedert. Natürlich unter erheblichem Widerstand der Hamburger Kaufleute. In den Rundungen des Saales sind vier historische Städte dargestellt, die Mittelpunkt antiker republikanischer Staatsgebilde waren. Starke, unabhängige Stadtstaaten: Athen, Rom, Venedig und Amsterdam. Die Stadt, um deren Darstellung es eigentlich geht, fehlt als Gemälde: Hamburg, die lebendige Stadtrepublik. Im Gegensatz zu den antiken Städten hat sie diesen Status immer noch.

Athen
Athen

In die kostbaren Gobelins unterhalb der Gemälde sind die Buchstaben „SPQH“ – Senatus Populusque Hamburgensis – eingewebt. Der Senat und die Bürger Hamburgs. Auch in Hamburg wurde die Abkürzung des Hoheitszeichens des alten Roms „SPQR“ auf die eigene Stadt bezogen. In der römischen Republik waren sowohl der Senat als auch die Bürger souverän, aber man regierte gemeinsam. „SPQH“ findet man an vielen Stellen im Rathaus wieder. Eine stete Erinnerung an die Herrschaft des Senats und der Bürger über die Stadt. Ein Ausdruck für die republikanische Staatsform und von Bürgerstolz!

Concordia
Concordia

Der Turmsaal ist auch Schauplatz des Neujahrsempfangs, einer jahrhundertealten Tradition. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es den Empfang des Hamburger Bürgermeisters. Alle Bürger können am Neujahrsmorgen in das Rathaus kommen und den beiden gute Wünsche überbringen. Heutzutage wird das Hammonia-Lied „Stadt Hamburg an der Elbe Auen“ vom Polizeiorchester gespielt, Hamburger Originale wie Hummel und Zitronenjette sind ebenso jedes Jahr anzutreffen wie Vertreter verschiedener Landmannschaften und Vereine. Es ist eins der vielen traditionsreichen Ereignisse im Rathausjahr.

Von diesem Saal aus betreten illustre Gäste den berühmten Rathausbalkon. Im Jahre 1965 besuchten Königin Elisabeth II. und Prinz Philip Hamburg und ließen sich auf dem Rathaus-Balkon feiern. Aber dieser Balkon sieht nicht nur gekrönte Häupter und Politiker. Der 15. August dieses Jahres ist den Hamburgern ganz sicher noch in guter Erinnerung. Um 10:15 Uhr legte die MS Deutschland am Kreuzfahrtterminal der HafenCity an. Sie kam aus London und hatte 217 Olympiateilnehmer an Bord, die erschöpft, aber glücklich von Olaf Scholz und Tausenden Zuschauern begeistert begrüßt wurden. Dann ging es auf dem Wasserwege weiter per Barkasse ins Rathaus. Hier standen ein Senatsempfang und der Eintrag der Medaillengewinner ins Goldene Buch auf dem Programm. Zum Abschluss traten die Sportler zusammen mit dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz auf den Balkon und ließen sich von 4.000 begeisterten Fans bejubeln. Das Rathaus ist heute ein lebendiges Haus der Hamburger und nicht nur ein Ort, an dem Politik gemacht wird! (Ulrike Lorenzen)