Blankenese fest in linker Hand
Neujahrsempfang an der Elbe
Er ist schon ein Phänomen für sich – der Blankeneser Neujahrsempfang. Das Louis C. Jacob zum Bersten gefüllt mit Menschen, am Eingang eine lange Schlange von Menschen, in und um das Hotel Verkehrschaos und Stau. In der Schlange stehen Senator neben Großkaufmann, Prominenter neben Banker, keiner murrt und alle können es kaum erwarten, sich gleich in das dichteste Gedränge an Menschen zu stürzen, das die Stadt auf dieser Raumgröße zu bieten hat. Allein die Bürgermeisterdichte sprengt die Vorstellungskraft der meisten Menschen in Hamburg. Eine höhere Machtdichte als der Blankeneser Neujahrsempfang von Verleger Klaus Schümann zu bieten hat, sucht in Hamburg seinesgleichen. Dabei verwischen zunehmend die Grenzen zwischen dem Verleger Schümann und der öffentlichen Person Schümann, je älter er wird, desto bissiger wird er und – so scheint es – umso mehr Lust am öffentlichen Auftritt hat er. Während woanders die obligatorischen Reden eher vorbeigewünscht werden, werden sie bei Schümanns Empfang eher mit Spannung erwartet, sind doch die Redner meist trefflich ausgesucht und – so scheint es – immer gut gebrieft, ja keine Langeweile aufkommen zu lassen. Neben dem streitbaren FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und dem EU-Kommissar Günther Oettinger hatte Schümann diesmal die Linke Sahra Wagenknecht eingeladen – man konnte also durchaus mit Reaktionen aus dem Publikum rechnen. Wagenknecht schlug sich aber wacker und erntete einige Sympathiepunkte mit nicht allzu bösen Witzen über Banker und die ständig wachsende Wählerschaft der Linken in Blankenese: „Wenn wir so weitermachen, haben wir bald die absolute Mehrheit. Sie sollten also zuhören, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt.“
Anders als im Vorjahr Cem Özdemir wurde sie nicht ausgebuht. Ein Heimspiel hatte Wolfgang Kubicki von der FDP, aber die Erwartungshaltung war gegenüber dem bekanntermaßen gegen den Strich gebürsteten Redner auch hoch. Wer aber Schenkelklopfer auf Schenkelklopfer erwartet hatte, wurde enttäuscht. „Ich kann dieses ständige Gejammer über Krisen nicht mehr hören. Ich bin seit 42 Jahren in der FDP, und sie reden über Krisen“, erwiderte er sowohl auf die eher als Mahnung gedachte intelligente Rede des EU-Kommissars Oettinger als auch auf die Kritik Wagenknechts an die staatlichen Steuerungsmechanismen in der Eurokrise, die im großen Stil Banken subventioniere. Danach hieß es, sehen und gesehen werden, hier ein netter Plausch, da ein netter Plausch.
Wer in der Stadt irgendwas zu sagen hat, ist dort zu finden – neben zahlreichen Prominenten aus der Unterhaltungsbranche. Obligatorisch: Carlo von Tiedemann, dessen weibliche Begleitung ungläubig reagierte, als eine russische Künstlerin den NDR-Moderator ein fremdes Namensschild überreichen wollte. „Sie kennen Carlo von Tiedemann nicht?“, rief sie einigermaßen indigniert aus und verließ die Szene – nicht jeder verbringt eben den Tag vor dem Fernseher und mit der Lektüre der Gesellschaftsspalten. Ein ähnliches Schicksal erlitt der Kabarettist Hans Scheibner, der mit seiner Tochter auf dem Empfang war. Er war aber wesentlich gefasster und konnte augenscheinlich gut damit leben, dass nicht jeder seinen Namen kennt. Klaus Schümann hat es wieder fertiggebracht – inzwischen schon zum 18. Mal –, die Crème de la Crème Hamburgs im Louis C. Jacob zu versammeln, dessen Personal jedes Mal aufs Neue eine logistische Meisterleistung vollbringt, um derart viele Gäste zufriedenzustellen.