Herzensangelegenheit oder Schnapsidee?
Tragikomödie um Straßennamen geht weiter
Der erste April rückt näher, und einigen Meldungen haftet schon jetzt der Hauch eines Scherzes an. Die öffentliche Kritik an der Benennungspolitk von Strassen, Orten und Plätzen ist zwar bei der Hamburger Politik angekommen – und zugegeben scheint es den Willen zur Korrektur an der einen oder anderen Stelle zu geben – aber wo an der einen Stelle Vertrauen in die Vernunft der Namensgeber aufgebaut wird, wird sie an anderer Stelle mit dem Hintern wieder umgeschubst. Der Hintern, um den es jetzt geht, ist der von Kultursenatorin Barbara Kisseler. Die Hamburger Kultursenatoren scheinen ein besonderes Händchen bei Verzweiflungstaten bei der Benennung von Orten zu haben, schon Kisselers Vorgänger Reinhard Stuth hatte sich besonders einen Namen in der HafenCity mit besonders fantasiereicher Benennungen wie dem Dar-Es-Salam-Platz gemacht. Nun will sich Barbara Kisseler in diese Reihe einreihen und sich mit „Herzenswünschen“ in der HafenCity verewigen.
Bei den Verhandlungen um eine vernünftige Benennungspolitik in der HafenCity mit Vertretern des Netzwerkes HafenCity e.V. kam es an den Tag: Zwei besondere Wünsche der Senatorin sollen erfüllt werden, damit im Gegenzug besonders abstruse Benennungen wieder zurückgenommen werden. Auf der Wunschliste der Arbeitsgruppe standen die ehemalige Sandtorhafenklappbrücke und jetzige Mahatma-Gandhi-Brücke sowie das Teilstück des St.Annen-Platzes das jetzt Dar-Es-Salam-Platz heißen soll ganz oben, die Senatorin warf dagegen zwei Namen in die Waagschale bei denen zumindest einer es in sich hat: Eine Straße in der HafenCity soll unbedingt Hiroshimastrasse heißen, und es soll Platz für einen Platz der Deutschen Einheit gefunden werden. Für den Platz steht die Fläche vor der Elbphilharmonie zur Debatte, für die Hiroshimastrasse ist angrenzend an den Lohsepark und dem Hannoverschem Bahnhof eine Strasse vorgesehen. Hiroshima – Menschheitstrauma und Beginn einer neuen Zeitrechnung – ist es sicherlich wert als Mahnung dauerhaft in den Köpfen der Menschen verankert zu werden, ob aber als Straßenname in einem neuen Stadtteil in dem gewohnt, gelebt und gearbeitet wird?
Für die Taxifahrer wäre es einfach: Es geht in eine Strasse mit debilem Namen? Kann nur die HafenCity sein! Für zukünftige Bewohner und als Geschäftsadresse? Eher wohl nicht. Oder kann sich jemand vorstellen, das zum Beispiel Technologieunternehmen gesteigerten Wert auf eine solche Anschrift legen? Auch Anwohner dürften eher zum Ziel bösen Spottes werden. Zyniker könnten entgegnen, das sich dagegen die Strasse für Bars, Cafés und Restaurants und die Partyszene hervorragend eignen könnte: Das „Atomic Café“ in der Hiroshimastrasse oder das „Duck and Cover“ als dürften schon jetzt die Renner im Hamburger Nachtleben werden. Und warum nur bei Hiroshima bleiben? Die Menschheitsgeschichte hat noch eine ganze Menge weiterer Katastrophen im Angebot: Nagasaki und Fukushima zum Beispiel, um in Japan zu bleiben, oder wie wäre es mit einer Sevesostrasse?
Man könnte ein ganzen Viertel zu einem Katastrophenviertel machen. Zugegeben, viel Polemik, aber das Beispiel zeigt doch, das noch nicht genug öffentlicher Druck entstanden ist und der Lernprozess in der Politik noch nicht abgeschlossen. Zurück zur anderen Herzensangelegenheit der Senatorin: Der Platz der Deutschen Einheit ist sicherlich unverdächtiger und es schwerlich etwas dagegen einzuwenden einen Platz in Hamburg so zu benennen. Ob es nun unbedingt der Platz vor Elbphilharmonie sein muss – sei es drum. Solange dieser Platz dann nicht auf die Mahatma-Gandhi-Brücke führt könnte man damit noch leben.