Das KZ-Außenlager am Dessauer Ufer
Getreidespeicher G
Stolpersteine werden in der Regel vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern von NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster des Gehwegs eingelassen. Nicht so bei Margarethe Müller. Der Stolperstein zur Erinnerung an die zweifache Mutter und tschechische Jüdin steht weit entfernt von Prag am Dessauer Ufer auf dem Kleinen Grasbrook gegenüber der heutigen HafenCity.
Margarethe Müller, geb. Meisl wurde 1899 im damaligen Kaiserreich Österreich-Ungarn geboren und starb am 27. Juli 1944 in Hamburg, wohin sie als Zwangsarbeiterin mit ihren beiden Töchtern verschleppt wurde. Von Theresienstadt, dem Vorhof zur Hölle über Ausschwitz, die Hölle in dem der Vater starb, führte der Leidensweg die drei Frauen nach Hamburg. Im Juni 1944 wurde der Getreidespeicher G zum KZ-Außenlager. Hier mussten Margarethe, Nina und Melitta wie 1.500 andere ungarische und tschechische Jüdinnen schwerste Arbeiten verrichten. Schon im Morgengrauen um 4 Uhr, bei Wind und Wetter und nur unzureichend bekleidet, wurden die Frauen aus dem Kellergewölbe auf Schuten verfrachtet und zu den Raffinerien oder zerstörten Gebäuden im Hafen gefahren.
Über 12 Stunden am Tag, mit kaum mehr als einer dünnen Suppe und einer Scheibe Brot im Magen mussten die Frauen nach wiederverwertbaren Materialien suchen oder beim Bau von Notwohnungen helfen. Sie wurden dabei von Zollbeamten und von SS-Kräften bewacht. Auch wenn die Zustände von vielen Gefangenen gegenüber Auschwitz als „besser“ empfunden wurden, lebten die Frauen in der ständigen Angst, die schwere Arbeit nicht schaffen zu können. Denn wenn sie zusammenbrachen oder schwanger wurden , drohte ihnen die Deportation nach Ausschwitz oder nach Ravensbrück. Margarethe Müller schaffte es nicht. Sie starb an einer Blutvergiftung, die viel zu spät und unzureichend behandelt wurde. Ihre Tochter Nina Müller starb wenig später in Bergen-Belsen. Auf dem Gebiet der heutigen HafenCity und der Speicherstadt sind elf Zwangsarbeiterlager, davon zwei Kriegsgefangenenlager, bekannt. Dahinter verbergen sich tausende von – noch unbekannten – Schicksalen, wie die der Familie Müller. Gedenken wir Ihrer zum Beispiel mit Hilfe von Stolpersteinen! (CF)
Unter www.zwangsarbeit-in-hamburg.de findet sich eine interaktive Karte als Kooperationsproduktion der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, dem Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme e.V. und der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Diese dokumentiert die Zwangsarbeit in der Hamburger Kriegswirtschaft von 1939 bis 1945.