Dunkle Machenschaften am Adriastrand
„Der Tote am Lido“ von Christian Försch
„Meseret nahm das Ruder, tauchte es vorsichtig ein und dirigierte das Boot durch die im Mondlicht schimmernden Pfähle, auf denen Möwen saßen, weiß und reglos wie Statuetten. Er nahm den Eisenrechen und fischte nach den großblättrigen Algen, die in nur achtzig Zentimetern Tiefe wucherten, und dem Getier, das unter diesem Teppich vegetierte, Licht und Sauerstoff nahmen. Seine Schultern und Oberarme schmerzten nach dem langen Arbeitstag am Strand und mit der Farbrolle. Aber in seiner Heimat hieß es: ‚Dein Ziel sagt dir, wie viel Kraft du hast.‘“
Der Journalist Kaspar Lunau macht mit seiner Freundin Silvia und ihren Kindern Urlaub an der Adriaküste. Was als Urlaub geplant ist, endet in einer Katastrophe: die Leiche eines Afrikaners wird an Land gespült. Für die italienische Polizei ist der Fall schnell klar: ein illegaler Einwanderer, der bei seiner Arbeit ums Leben gekommen ist.
Doch als plötzlich die Verlobte des Toten, eine junge Prostituierte, bei Lunau vor der Tür steht und um Hilfe bittet, nimmt der Urlaub eine ungeahnte Wendung. Wer hat den Fischer Meseret ermordet, und was war das Motiv? Ging es um Eifersucht? Oder um die illegalen Einwanderer, die am Strand gefälschte Taschen und Sonnenbrillen verkaufen? Gegen den Willen seiner Freundin Silvia und ohne das Wissen der Polizei fängt Lunau an, zu ermitteln.
Dann verschwindet Silvias achtjährige Tochter Sara spurlos.
„Silvia nahm die Taschen und die Luftmatratze und ging zur Strandbar. (…) Aber schon bevor sie diese sehen konnte, wusste sie, dass Sara dort nicht spielte. Es fehlte das typische Klacken des kleinen Plastikballs. (…). Sie lief an den Umkleidekabinen entlang, an den Türen der Toiletten und rief immer wieder Saras Namen. Silvias Stimme hallte in dem betonierten, von Flachbauten umschriebenen Halbkreis. Keine Antwort.“
Die Nachricht von Saras Entführer zwingt Lunau zu einer Entscheidung: kann er die ebenfalls verschwundene Prostituierte gegen die Tochter seiner Lebensgefährtin austauschen und retten? Was weiß seine Ex-Freundin aus gutem Hause, die Tochter eines aufstrebenden Politikers? Wieso kümmert sie sich ausgerechnet jetzt um Prostituierte am Straßenstrich?
Lunau verstrickt sich immer tiefer in den Fall und gerät selbst in die Fänge der Verbrecher.
„Der Tote am Lido“ ist Lunaus‘ zweiter Fall, der in des Deutschen Lieblingsurlaubslands Italien spielt. Allerdings ist der Krimi am besten auch dort im Urlaub am Lido zu lesen: die Handlung ist interessant, doch leider oft zu simpel angelegt. So ist es für den ermittelnden Lunau kein Problem, einen Unbekannten Namens Michael aufzustöbern. Auch ein Richtrohrmikro gehört anscheinend zur Ausstattung eines urlaubenden Journalisten, der es, ohne zu zögern, allein mit der Mafia aufnimmt.