Kein Ziel im Irgendwo
Teheran – Berlin: ein Journalist im Exil
„Im Gefängnis gefriert die Zeit“, sagt Ehsan Mehrabi. Er weiß, wovon er spricht: der ehemalige iranische Parlamentskorrespondent wurde 2010 verhaftet. Grund: ein Interview mit der BBC, das als Tätigkeit gegen die nationale Sicherheit des Landes gewertet wurde. Der 38jährige Journalist musste unter anderem 64 Tage in Einzelhaft verbringen. Schlimmer als für die Insassen sei es für die Angehörigen, die nicht wüssten, was gerade mit den Inhaftierten passiere: Wie würden die Gefangenen behandelt – werden sie gefoltert? Medizinische Hilfe wurde ihm geboten, so Mehrabi, als er durch einen Fall eine Platzwunde erlitt. Schlimmer sei jedoch der psychische Druck, dem man ausgesetzt sei. Wie fühlt sich ein Professor, der ausgefragt, beleidigt und erniedrigt wird und der mit 100 anderen Gefangenen auf 50 Quadratmetern zusammengepfercht wird? Der sich nur noch den eigenen Tod wünsche? Man sei ein anderer Mensch, wenn man das Gefängnis wieder verlasse.
Mehrabi, der über 15 Jahre als Pressekorrespondent für iranische Zeitungen tätig war, entschließt sich nach zweimaliger Haft zur Flucht. Die Türkei lehnt seinen Asylantrag ab. Deutschland gewährt Asyl. Seit Februar 2013 lebt er in Berlin. Die Entscheidung zwischen Haft und Exil fiel ihm damals leicht. Hätte er gewusst, wie schwer es für einen Journalisten im Ausland ist, hätte er bei der Entscheidung gezögert. Flucht und Exil seien eine bittere Erfahrung.
Mehrabi, dem man anmerkt, dass es ihm ein großes Bedürfnis ist, sich mitzuteilen, stellt sich den Anwesenden im Körberforum in gutem Deutsch vor, seit fünf Monaten lernt er die Sprache. Sollte er in Deutschland Arbeit finden, werde diese unter dem Niveau seines vorigen Jobs sein – sehr gute Sprachkenntnisse sind vor allem für einen Journalisten unabdingbar. Es werde Jahre dauern, bis er wieder ein normales Leben führen könne, das erfordere Geduld.
Im Ranking über Pressefreiheit belegt der Iran Platz 174 – von 179 Ländern. Ein persisches Sprichwort sagt: Redefreiheit gibt es, aber nicht die Freiheit nach der Rede. Zeitungen werden bedroht und geschlossen, Journalisten inhaftiert, wenn sie über verbotene Themen schreiben. Viele Journalisten mussten aus dem Iran fliehen, als das Regime gegen die kritische Berichterstattung zur Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad 2009 vorging.
Wird es mit Hassan Rohani, dem neuen Präsidenten des Irans, besser? Die Regierung lege den Fokus auf Wirtschaftspolitik, hier öffne sich das Land. Das habe allerdings nichts mit den Verletzungen der Menschenrechte zu tun, es gebe nach wie vor viele Hinrichtungen. Und über Nacht könne sich nichts verbessern.
Das Gespräch mit Ehsan Mehrabi fand im Körberforum statt, in Kooperation mit Reporter ohne Grenzen, der Süddeutschen Zeitung und der Weichmann-Stiftung.