Die Flüchtlingshelferin
Pastorin Dietlind Jochims ist die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
Einem „urchristlichen Anliegen“ geht Dietlind Jochims (51) seit August des letzten Jahres in ihrem Büro an der Shanghaiallee 12 nach: Die Pastorin bewarb sich in der Nachfolge von Fanny Dethloff, die nach zwölf Jahren innerhalb der Kirche eine neue Stelle annahm, und wurde als Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche berufen. Bis dahin war sie als Notfallseelsorgerin und als Gemeindepastorin in St. Pauli, Neuallermöhe und zuletzt in Billstedt tätig – Hamburger Stadtteile, die von jeher von Zuwanderung geprägt werden.
„Mich hat die Frage, wie wir in einer Stadt zusammenleben wollen, wenn wir aus verschiedenen Teilen der Welt kommen, schon immer interessiert“, beschreibt Jochims ihre Motivation für die neue Aufgabe. Für sie ist die offizielle Unterscheidung nach Armuts-, Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen nicht entscheidend. „Es sind Schutzsuchende“, sagt sie, „deren Fluchtgründe unterschiedlich sind.“ Wichtig seien die Fluchtauslöser und -wege für die Möglichkeiten der Unterstützung und letztendlich für die Entscheidung über eine Anerkennung oder Abweisung des Asylantrages.
Ihre neue Aufgabe gilt der Vernetzung, der Unterstützung und der Koordination der Arbeit von den Kirchengemeinden in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, die sich mit Fragen der Flüchtlingshilfe befassen. Dabei nimmt die Kommunikation mit der Politik einen breiten Raum ein, denn sie ist Lobbyarbeiterin für Flüchtlinge.
Jochims Aufgabe ist nicht einfach und teilweise auch sehr belastend. „Das Gefühl von Ohnmacht, wenn es um das Sterben der Menschen im Mittelmeer geht oder wenn Abschiebungen trotz größter Bedenken nicht verhindert werden können, muss man aushalten“, fährt sie fort. Positiv beurteilt sie das Engagement der vielen Menschen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Sie freut sich über die wachsende Solidarität mit Flüchtlingen, denn im Umgang mit diesen zeigt sich ihrer Überzeugung nach beispielhaft die Menschlichkeit einer Gesellschaft. Gerade am Beispiel der „Lampedusa“-Gruppe werde deutlich, dass viele Probleme sich nicht durch rein formales Vorgehen lösen ließen. Die evangelische Kirche, die sich in dieser Frage sehr hartnäckig engagiert hat, konnte zwar am Ende nicht für alle eine Lösungsperspektive erreichen, trug aber zu einem stärkeren Problembewusstsein bei. „Der Schutzstatus darf nicht nur ein Stück Papier sein“, fordert Dietlind Jochims.
Denjenigen, die sie fragen, wie man denn den Flüchtlingen helfen könne, rät sie als erstes, „sich an eine Situation zu erinnern, in der man selbst der ‚Neue’ war; manchmal hilft auch schon ein Lächeln oder ein persönlicher Kontakt“. Ganz praktisch kann sich jeder einbringen, sei es als Pate von Flüchtlingsfamilien oder bei der Nachhilfe für den Deutschunterricht. In der Zwischenzeit erhält sie auch Anrufe von privaten Vermietern, die zum Beispiel eine Einliegerwohnung als Wohnraum zur Verfügung stellen. Mit Geld-, Zeit- und Sachspenden können sich alle engagieren, und neben zivilgesellschaftlichen Institutionen bieten auch die Kirchen Anlaufstellen, wie zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit Hamburg (www.hamburgasyl.de), die die Angebote von Unterstützungswilligen koordinieren kann.
„Es ist gar nicht so schwer, zu helfen“, fasst Dietlind Jochims zusammen. CF
[themify_box style=“blue comment rounded“ ]
Eine zahlenmäßige (willkürliche) Betrachtung von Conceição Feist
In 2014 stellten 173.000 Menschen in Deutschland einen Asyl-Erstantrag. Waren es 2012 „nur“ 65.000 Anträge, liegen die Prognosen für 2015 bereits jetzt bei 300.000 Antragstellern. Hinzu kommen noch die Folgeanträge, das heißt Anträge, die nach der Rücknahme oder nach der unanfechtbaren Ablehnung des ersten Antrages erneut gestellt werden.
Der sogenannte Königsteiner Schlüssel, der unter Berücksichtigung von Steueraufkommen und Bevölkerungszahlen ermittelt wird, bestimmt sowohl über die Finanzierung als auch über die Aufteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Bundesländer. Von rund 13.000 Flüchtlingen verblieben in Hamburg Ende 2014 – nach der Entscheidung über die Verteilung – 6.970 Menschen von denen 6.092 Personen von der Stadt untergebracht werden mussten. Eine Verdoppelung gegenüber den Zugängen im Jahre 2013.
Die Flüchtlingsströme nach Hamburg geben einen Blick auf globale Brennpunkte frei: Menschen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Eritrea, Iran und Irak, Ägypten, Russland, aber auch aus den Balkanstaaten suchen Schutz in Hamburg. Bundesweit liegen die Anerkennungsquoten für Flüchtlinge aus Syrien bei 88,7 Prozent und für den Irak bei fast 70 Prozent. Die Gesamtschutzquote für alle Herkunftsländer liegt dagegen bei 31,5 Prozent.
Zum Vergleich: Die Fluchtbewegungen finden hauptsächlich in der Herkunftsregion statt. Etwa drei Millionen syrische Flüchtlinge suchen derzeit Schutz in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Türkei und Irak.
Keine belastbaren Zahlen gibt es zu der Anzahl der Menschen, die auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer starben oder vermisst werden.
[/themify_box]