Kranfrei

Das Kranfrei der Elbphilharmonie ist nur ein temporärer Zustand - später kommen die drei Portalkräne die jetzt am Hafenmuseum lagern wieder zurück
Das Kranfrei der Elbphilharmonie ist nur ein temporärer Zustand – später kommen die drei Portalkräne die jetzt am Hafenmuseum lagern wieder zurück

Endspurt bei der Elbphilharmonie

So langsam kann man erahnen, was Herzog & de Meuron bei den Entwürfen zum Umbau des Kaispeichers A in eine Philharmonie vorschwebte. Welch ein Unterschied: Die Baukräne sind weg, und das Gebäude zeigt sich in all seiner Großartigkeit – und welch ein Unterschied in der Stimmung der Stadt. Während man letztes Jahr zur gleichen Zeit beim Smalltalk mit Witzen über die Elbphilharmonie noch die Lacher auf seiner Seite hatte, ist Kritik an dem Bau weitgehend verschwunden und macht vorsichtiger Begeisterung Platz. Auch die größten Skeptiker glauben jetzt an eine pünktliche Fertigstellung, und die größte Frage, die die Öffentlichkeit bewegt, ist nicht die nach den Kosten, sondern die nach Karten für das Eröffnungskonzert. Dabei wird auch so langsam, aber sicher sichtbar, welches positive und negative Potenzial für die schmale Landzunge des Dalmannkais die Fertigstellung des Hamburger Jahrhundertbauwerkes in sich birgt. Eine kleine Ahnung, was auf die Straße Am Kaiserkai zukommt, konnte man bei der 125-Jahres-Feier von Kühne+Nagel in und an der Elbphilharmonie bekommen. Mit geschätzten 1.000 Gästen – Zahlen gab Kühne+Nagel nicht bekannt – ging auf den Straßen rund um die Elbphilharmonie kurz vor Veranstaltungsbeginn nichts mehr, Straßen voller Autos und Taxis, die Bürgersteige voller Menschen. Für die Zukunft kann man sich vorstellen, was bei rund 3.000 Konzertbesuchern, 30.000 Gästen auf der Plaza, Hotelgästen, Anliegern und den für den Betrieb all des Ganzen notwendigen Angestellten in der westlichen HafenCity los sein wird.

Die Kräne wurden per Schute abtransportiert
Die Kräne wurden per Schute abtransportiert

Die Dimensionen werden alles sprengen, was Hamburg sonst an Aufläufen und Verkehrsproblemen zu bieten hat – und das im Zweifel 365 Tage im Jahr ohne Pause. Für die Anwohner, die auf einen halbwegs ruhigen Platz am Wasser gehofft haben, wird es hart, für alle Gewerbetreibenden rund um die Elbphilharmonie – so sie denn das passende Angebot haben – werden goldene Zeiten anbrechen. Dabei machen sich inzwischen zum Beispiel Gastronomen Gedanken darüber, ob überfüllte Cafés und lange Warteschlangen nicht grundsätzlich ihre Marke schädigen, und denken über Alternativen nach. Für alle anderen Planungen zur Kontrolle des zu erwartenden Chaos ist es sowieso zu spät. Bei allem erkennbaren guten Willen aller Beteiligten hat der Ort seine natürlichen Grenzen, und zukünftige Witze werden über die Verkehrssituation in der HafenCity gemacht werden. Da muss die HafenCity schlicht in den sauren Apfel beißen, ein Augen-zu-und-durch wird es nicht geben, eher ein Zähne-zusammenbeißen-und-rein-und-so-lange-aushalten-wie-es-eben-geht. Schon wird darüber nachgedacht, ob man nicht die direkt angrenzenden Gebäude aufkaufen und in Parkhäuser verwandeln sollte. Sicherlich nur ein Gerücht, verursacht durch beginnende Verzweiflung, denn selbst zusätzliche Parkhäuser direkt vor der Elbphilharmonie wären nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Alle Überlegungen über Shuttle-Services von der Großgarage unter dem Überseequartier sind eh hinfällig, denn der fertiggestellte Bereich ist voll, und der möglicherweise um 2020 in Betrieb gehende zweite Bauabschnitt kommt zu spät. Wenn man jetzt noch die mögliche Olympia-Ausrichtung Hamburgs vor Augen hat und die permanenten Probleme mit der Schadstoffbelastung … Man mag es fast nicht zu Ende denken, es sei denn, es erbarmt sich endlich jemand und denkt ernsthaft über eine Reduzierung des Individualverkehrs in Hamburg nach.