Expertenkreis diskutierte Aufbau einer Hafenauffanganlagen-Infrastruktur für Schiffsabwässer in Ostseehäfen
In der Ostsee ist eine effektive Umsetzung der strengen Auflagen für die Einleitung von Abwasser nach Anlage IV des Internationalen Übereinkommens von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (International Convention for the Prevention of Marine Pollution from Ships, 1973 – MARPOL IV) nur über eine enge und kontinuierliche internationale Zusammenarbeit zwischen Politik, Häfen, Kreuzfahrt- und Fährschiffsindustrie und den kommunalen Abwasserunternehmen möglich. Ein wesentliches Augenmerk müsse dabei auf praktische und umsetzbare technische Lösungen im Umgang mit dem Abwasser in den Häfen, ein weiteres auf ein gezieltes und effektives Abwassermanagement gerichtet werden.
Dies waren zwei wesentliche Aussagen des internationalen Workshops zu Hafenauffanganlagen für Schiffsabwässer in den Ostsee-Häfen, der am 30 Juni und 1. Juli dieses Jahres im Wissenschaftszentrum in Kiel stattfand. Rund 50 Expertinnen und Experten aus zwischenstaatlichen und Nichtregierungsorganisationen, aus Regierungen, der Verwaltung, der Hafenwirtschaft und Kreuzfahrtindustrie und aus kommunalen Abwasserunternehmen in der Ostseeregion diskutierten politische, technische und rechtliche Aspekte sowie Fragen des Umweltschutzes im Zusammenhang mit Abwassern von Kreuzfahrt- und Fährschiffen in der Ostsee. Mit dem Workshop soll die internationale und die fachübergreifende Zusammenarbeit und Abstimmung des Aufbaus einer Infrastruktur von Hafenauffanganlagen für Abwässer in den Ostseehäfen intensiviert werden. Auch die Integration kleinerer Häfen und einzelner Liegeplätze in die Infrastruktur wurde diskutiert. Der Workshop bildete einen regionalen Beitrag zu dem Ausbau der Infrastruktur.
Seit dem 1. Januar 2013 ist die Ostsee Abwassersondergebiet. Für neue Passagierschiffe treten am 1. Juni 2019, für bereits gebaute Schiffe ab 1. Juni 2021 neue Grenzwerte für Abwässer in Kraft. Diese betreffen insbesondere Stickstoff und Phosphor. Bei Überschreiten der Grenzwerte muss das Abwasser in Auffanganlagen in den Häfen abgepumpt werden.
Bei Verabschiedung der Regelungen im April 2016 drängte der Umweltausschuss der Weltschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization – IMO) auf eine unverzügliche Umsetzung. Die Anrainerstaaten der Ostsee haben begonnen, Abwasserauffanganlagen in den Häfen bereit zu stellen. In vielen Ostseehäfen sind beispielsweise die Liegeplätze bereits an das öffentliche Abwassersystem angeschlossen. Andere Häfen installieren zurzeit Verbindungen zur kommunalen Abwasserversorgung oder suchen alternative Lösungen für die Annahme von Abwasser von Passagierschiffen.
In den 9 Ostseeanrainerstaaten leben rund 80 Millionen Menschen in Küstennähe. Auf der Ostsee sind täglich rund 1.800 Schiffe mit über 300 BRZ unterwegs. Der Kreuzfahrtmarkt auf der Ostsee boomt. Häfen wie Kiel und Rostock melden rund 400.000 Passagiere jährlich. Hinzu kommen Nährstoff- und Schadstoffanreicherungen aus der Atmosphäre, aus Flüssen und Punktquellen wie zum Beispiel Abwasserrohren. Damit ist die Ostsee, eines der größten Brackwassermeere der Welt mit einer durchschnittlichen Tiefe von 55 Metern, bereits stark belastet. Der sehr schmale Zugang zur Nordsee erschwert einen Austausch von Nord- und Ostseewasser und führt damit zu einem niedrigen Salzgehalt in dem Binnenmeer. Ein vollständiger Austausch des Wasserkörpers der Ostsee findet nur alle 30 Jahre statt. Begünstigende Wetterlagen führten in den letzten 2 Jahren zu 4 Salzwassereinbrüchen, die die Situation der Ostsee entspannt haben. Aufgrund dieser Eigenschaften reagiert das ökologische System der Ostsee besonders empfindlich auf menschliche Einwirkungen. Daher beantragte HELCOM 2010 bei der IMO, die Ostsee als weltweit erstes Abwassersondergebiet auszuweisen.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) organisierten das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gemeinsam mit dem Port of Kiel und der Baltic Ports Organization (BPO) den internationalen Workshop zu Hafenauffanganlagen für Schiffsabwässer im Ostseeraum.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops wurden aufgerufen, die gemeinsame, konstruktive Arbeit im Rahmen der HELCOM PRF Cooperation Platform weiterzuführen. Deren nächstes Treffen wird am 5. September 2016 in Tallinn/Estland stattfinden.