Volle Dröhnung

Anwohner des Sandtorkais beklagen sich über zunehmenden Verkehrslärm

Knapp ein Kilometer ist sie lang, fünf Ampeln steuern den Verkehrsfluss: Die vierspurige Hauptverkehrsstraße Am Sandtorkai zwischen Osakaallee und Kehrwiederspitze ist während der Woche eine vielbefahrene Süd-West- Verbindung für den Berufs- und Wirtschaftsverkehr.

Am Wochenende dagegen entwickelt sich die Straße mit ihrem übersichtlichen Verlauf zum Leidwesen ihrer Bewohner zu einem Cruising-Parcours für Motorradfahrer und andere stark motorisierte Kraftfahrzeuge. Eine Lärmbelästigung, die nur durch illegale nächtliche Autorennen übertroffen wird. Der Sandtorkai fasziniert durch seine baulichen Widersprüche. Befährt man die Straße von Osten und Süden Richtung Baumwall hat man rechts die Speicherstadt, wo die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude traditionell in Blöcke unterteilt werden, links und am Ende der Strasse offenbar nur Bürogebäude, die Namen tragen und den modernen Teil der HafenCity mit einer Mischung aus Glas, Stahl und Backstein prägen.

Veranstaltungen, nächtliche Rennen und der Durchgangsverkehr zehren an den Nerven der Anwohner
Veranstaltungen, nächtliche Rennen und der Durchgangsverkehr zehren an den Nerven der Anwohner

Zwischendurch bieten sich Einblicke auf das Neue und auf das Alte Hamburg und auf das jüngste Wahrzeichen der Stadt, die Elbphilharmonie.

Dem eiligen oder, genauer gesagt, dem rasenden Besucher entgeht bei seiner Durchfahrt ein wesentliches Kennzeichen dieser Straße. Die Gebäude mit Namen wie Harbour Hall, Harbour Cube, Dock 4 oder Ocean’s End sind Wohn- und Geschäftsgebäude und damit verläuft die hochfrequentierte Straße an einem Wohngebiet. In den oberen Stockwerken befinden sich die ersten in der HafenCity gebauten Wohnungen und viele ihrer Bewohner sehen sich einer zunehmenden Belästigung ausgesetzt, die sie teils auf die Nichtkenntnisse und teils auf die Rücksichtslosigkeit mancher motorisierter Verkehrsteilnehmer zurückführen. Insbesondere Motorradfahrer haben die Strecke an den Wochenenden für sich entdeckt und mancher Autofahrer mit mehr PS als Einsichtsfähigkeit sieht sich bei jeder roten Ampel in der Pole-Position.

„Nicht jeder, der hier durchfährt, will von „A nach B““, so Peter Griep, der gern am Sandtorkai lebt, weil er von hier seinen Arbeitsplatz schnell fußläufig erreicht. „… die hochgedrehten Motoren und so manche vermutlich manipulierte Abgasanlage vermitteln Aggressivität, die bei anderen Menschen einen Impuls zur Flucht oder zum Angriff hervorruft“ beschreibt er seine Empfindungen, wenn er wieder einmal in der Nacht hochschreckt.

Dabei kann er die Attraktivität der Straße nachvollziehen. Für ihn ist nicht die Motorradparade während der Harley Days das Problem, sondern die unvermittelten Anfahrgeräusche, die teilweise Herzrasen verursachen.

Für Julien Walther, der seit 2007 im Quartier wohnt, entwickelt sich die Situation zunehmend dramatisch. „Die Situation ist seit diesem Jahr so extrem, dass es inzwischen zur Regel gehört, sonntagsmorgens durch knatternde Motorräder aufzuwachen“, schreibt er nach Gesprächen mit Nachbarn in einer Mail an das Bezirksamt Hamburg-Mitte, den Landesbetrieb Verkehr und an das zuständige Polizeikommissariat PK 14 und fordert : „Es müssen dringend Lösungen erarbeitet und umgesetzt werden, um uns Anwohner (…) schnellstmöglich vor diesem Lärm zu schützen.“

„Die Lärmbeschallung durch laute Fahrzeuge, besonders durch Motorräder, macht einen wütend, traurig und auf Dauer krank“, so Walther, der in seinem Schreiben auch gleich mögliche Problemlösungen liefert. Das Anbringen von stationären Blitzern, Hinweisschildern auf ein Wohngebiet und Tempo 30 im Bereich der Wohnhäuser sind einige der Maßnahmen, die sich auch an einer Hauptverkehrsstraße realisieren lassen müssten. Dagegen dürften bauliche Vorschläge wie Bodenschwellen und Poller oder die teilweise Sperrung bei der zuständigen Innenbehörde nicht auf Wohlwollen stoßen. Auch Christian Dahler, einer der ersten Bewohner des Stadtteils, ist immer wieder erstaunt, dass es Menschen gibt, die eine Straße ohne Rücksicht auf die Anlieger mehrfach rauf und runter fahren und dabei immer wieder die Motoren röhren lassen. „Natürlich habe ich gewusst, dass ich an eine Hauptverkehrsstraße ziehe“, gibt er zu, „eine solche Entwicklung habe ich aber nicht erwartet.“ Als er sich damals für den Umzug entschieden hat, befand sich noch ein Kreisel im westlichen Eingang zur Straße, der den Verkehr verlangsamte, aber dann zurückgebaut wurde. Anders als seine Nachbarn empfindet Horst Tillmann den Verkehrsfluss als normal für diesen Standort. „Die jetzige Situation war abzusehen“, sagt der frühere Schifffahrtsexperte, der sich nach dem ausgiebigen Studium des Masterplans vor elf Jahren für seine Wohnung an der Hauptverkehrsader entschieden hatte. Allerdings liegt seine Wohnung im ersten Stock mit Blick auf den Sandtorhafen. „Die Geräuschentwicklung in den oberen Etagen ist höher. Ich habe mich bewusst für eine von der Straße abgewandte Wohnung entschieden“ erklärt Tillmann, der auch nach Jahren sehr zufrieden mit seiner Wohnentscheidung ist und die Bushaltestelle vor der Tür nicht mehr missen möchte.

Die nächtlichen Autorennen seien aus seiner Sicht nicht nur ein Problem in der HafenCity und eher ein Ausdruck einer zunehmenden Rücksichtslosigkeit.

Auf jeden Fall ist Julien Walther entschlossen, sich weiter für eine Verbesserung seines Wohnumfeldes einzusetzen. Eine Antwort auf seine Mail hat er bisher nur vom Netzwerk HafenCity e.V. erhalten.

Auf Anfrage der HafenCity Zeitung bestätigt Vorstandsmitglied Chris Gutsch: „Wir werden prüfen, inwieweit wir hier in Zusammenarbeit mit der HafenCity Hamburg GmbH und den zuständigen Behörden eine Verbesserung für die betroffenen Anwohner herbeiführen können.“

Bei den Gesprächen sollen auch Lösungen für weitere Themen gesucht werden, so Gutsch, „zum Beispiel verursachen Stadtrundfahrtbusse regelmäßige Hupkonzerte und erhebliche Abgas-Emmissionen. Bei einem Halt an der Haltestelle Marco-Polo-Terrassen stauen sich auf dem Großen Grasbrook sowohl der Individual- als auch der Lieferverkehr und die Busse des ÖPNV teilweise bis zur Kreuzung Am Sandtorkai.

Und es wurden auch schon Situationen beobachtet, wo selbst Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge auf dem Großen Grasbrook feststeckten und selbst das eingeschaltete Martinshorn es nicht schaffte, die Fahrer der Stadtrundfahrtbusse zur schnellen Weiterfahrt zu veranlassen.“