Müllsammelschiff für den Kampf gegen „Marine Littering“:
Schiffstaufe des ersten Müllsammelschiffs weltweit – Die SEEKUH von One Earth – One Ocean e.V.
Am Sonntag, den 25. September 2016 um 14.00 Uhr ist es endlich soweit: Das erste spezialisierte und DNV/GL-zertifizierte Müllsammelschiff der Welt, die SEEKUH der Münchner Umweltorganisation One Earth – One Ocean e.V., feiert im Rahmen des 35. Deutschen Seeschifffahrtstages in Kiel ihre Schiffstaufe. Der von Günther Bonin, dem Gründer der Organisation, entwickelte Spezialkatamaran hat eine Größe von etwa 12 x 10 Metern (L x B) und wiegt knapp sechs Tonnen. Das Schiff ist zerlegbar und kann per Frachtcontainer zu Einsätzen an jeden Ort der Welt gebracht werden. Für den vollständig durch Spenden finanzierten Bau der SEEKUH, die vielen bereits aus der umfangreichen Medienberichterstattung im Laufe des Jahres bekannt sein dürfte, wurden Mittel in Höhe von etwa einer viertel Million Euro gesammelt. Hauptsponsor ist die Mannheimer Röchling Stiftung. Das Forschungs-, Reinigungs- und Aufklärungsschiff, das auf der Werft von Lübeck Yacht Trave Schiff GmbH gebaut wurde und als Arbeitsschiff DNV/GL-zugelassen ist (praktisch der TÜV für Schiffe), wird nach einem Stop am Ausrüstungskai in Lübeck in den nächsten 12 Monaten an der Ostseeküste und in Hong Kong eingesetzt, wo es neben dem Müllsammeln auch Wasseranalysen vornimmt.
Nach einer aktuellen Studie der MacArthur Foundation sollen bis zum Jahre 2050 mehr Plastikteile als Fische in den weltweiten Meeren schwimmen. Bereits heute befinden sich mehr als 140 Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen und jedes Jahr gelangen mindestens weitere 8 Millionen Tonnen hinzu. Plastikmüll hat eine Lebensdauer von bis zu 450 Jahren und gelangt letztlich als Mikroplastik (kleinste Teilchen) durch die Nahrungsaufnahme der Fische auch in unsere Nahrungskette. Damit schadet Plastik in den Ozeanen nicht nur dem fragilen Ökosystem, sondern insbesondere auch uns Menschen.
Um dieses drängende Menschheitsproblem zumindest ansatzweise zu bekämpfen, hat Günther Bonin vor fünf Jahren das Konzept der ?maritimen Müllabfuhr“, entwickelt, bei dem der Plastikmüll von Spezialschiffen aus dem Meer gefischt und wiederverwertet wird. Die SEEKUH, die für den Einsatz in küstennahen Regionen und Flussmündungen konzipiert ist, ist nun das erste seetaugliche Forschungs-, Reinigungs- und Aufklärungsschiff des Konzepts.
Von der Idee zum fertigen Schiff
Mehr als – oder sollte man eher sagen, nur – drei Jahre hat es gedauert, die SEEKUH von einer visionären Idee Günther Bonins zur Wirklichkeit werden zu lassen. Von der Konzeption der ?Maritimen Müllabfuhr“ mit ihren Spezialschiffen über die konkrete Planung der ersten SEEKUH und deren langwierigen Finanzierung durch Spenden und der Genehmigung durch die entsprechenden Verwaltungsorgane und die Schiffsklassifikationsgesellsc
Das Spezialschiff ist weltweit einmalig. Seine kürzlich in der ARD-Show „Die große Show der Naturwunder“ von Ranga Yogeshwar und Frank Elstner vorgestellte Funktionsweise war als Animation deutschlandweit zu sehen. Die Katamaranform ermöglicht es bei einem Tiefgang von nur 60 Zentimetern, zwischen den beiden Rümpfen eine Netztkonstruktion ins Wasser abzusenken, mit der der Plastikmüll bis in eine Tiefe von zwei Metern herausgefischt wird. Damit sich keine Lebewesen in den Netzen verfangen, fährt die durch zwei Außenbordmotore à 63 PS angetriebene SEEKUH in Schrittgeschwindigkeit. So können Fische rechtzeitig ausweichen. Die zwei Außenborder ermöglichen aber auch eine gute Manövrierfähigkeit des bei voller Beladung mit Müll bis zu 11 Tonnen schweren Schiffs in Häfen. Die erste SEEKUH ist für küstennahe Regionen und Flussmündungen konzipiert und hat alle nötigen Zertifikationen als Arbeitschiff wie DNV/GL, Berufsgenossenschaft See, BSH etc..
In Ländern mit hohem Müllaufkommen im Wasser kann sie mit ihren Netzen täglich mehrmals 2-3 Tonnen sammeln oder bei hohen Verunreinigungen am Strand den Müll nach dem Baggerprinzip direkt an Land schieben. Später sollen HOCHSEEKÜHE – autark durch Wind- und Sonnenenergie angetrieben – auf hoher See selbständig Plastikmüll einsammeln.
Neben unzähligen Kleinspenden ermöglichten vor allem die Röchlingstiftung und die Deutsche Telekom den Bau des Schiffes. Während die Deutsche Telekom die Konstruktionsplanung, Projektleitung und die Zulassungskosten für den DNV/GL übernahm, finanzierte die Röchling Stiftung aus Mannheim zu einem Großteil den Rohbau der SEEKUH. Von Herrn Röchling stammt auch die Idee, überall dort, wo der Verschmutzungsgrad besonders hoch ist, Fischern kostenlos Spezialnetze, die keine Tiere fangen, zum Abfischen des Plastikmülls zur Verfügung zu stellen. So könnten zwei Trawler mit einem dazwischen gezogenen Netzt bis zu 200 Tonnen Plastikmüll am Tag einsammeln.
Während die Verarbeitung des Kunststoffes derzeit noch an Land passiert, sieht das ZIM-Projekt vor, später große Energieschiffe mit ihren HOCHSEEKUH-Begleitschiffen auf See zu positionieren, die das Plastik mit Hilfe von Satellitenortung erkennen, einsammeln und direkt an Bord des großen Schiffes in leichtes, schwefelfreies Heizöl, Gas und Strom weiterverarbeiten („Waste to Energy“). Eine Tonne Kunststoff kann so in 900 Liter Erdöl zurückverwandelt werden. Mit der Energie könnte zudem Salz- in Trinkwasser umgewandelt werden. Zudem können die Energieschiffe auch große Häfen in Schwellen- und Entwicklungsländern anlaufen und den Menschen dort ihren Plastikmüll abkaufen und im Gegenzug Öl, Gas, Wasser etc. liefern.
Mit der Taufe der SEEKUH am 25. September 2016 in Kiel wird der erste wichtige Schritt getan, doch das System wird in Zukunft weiter ausgebaut und perfektioniert. Erstmals zu besichtigen ist die SEEKUH wie gesagt in Kiel im Rahmen des 35. Deutschen Seeschifffahrtstages auf dem diesjährigen „Fest am Meer“ am 24. und 25.9.2016. Informationen unter http://www.deutscher-seeschiff
„Ich bin sehr stolz, nach fünf Jahren der Überzeugungsarbeit nun endlich die SEEKUH fertig und im Wasser zu haben, um die Öffentlichkeit auf das dringende Problem des Plastikmülls und des Marine Littering hinzuweisen“, erklärt Günther Bonin, Gründer und Entrepreneur des Vereins One Earth – One Ocean e.V.. „Mein großer Dank gilt all jenen, die mich und meine Idee über Jahre begeitet, unermüdlich geholfen und nicht zuletzt Geld bezahlt haben, um diese Projekt Wirklichkeit werden zu lassen.“
Die Familie Röchling, die auf eine beinahe 200-jährige unternehmerische Tradition zurückblickt, hat ihre unternehmerische Verantwortung schon früh auch als soziale Verantwortung verstanden und bereits im 19. Jahrhundert wohltätige Einrichtungen für ihre Mitarbeiter, aber auch für die Bevölkerung insgesamt errichtet. Mit der Röchling Stiftung setzt die Familie heute ihr soziales Engagement fort. Nachdem das Familienunternehmen heute ein führender Anbieter innovativer Produkte aus Hochleistungs-Kunststoffen ist, kann die Stiftung auf eine hohe Kompetenz im Bereich Kunststoff zugreifen und diese wirkungsvoll zum Schutze der Umwelt einsetzen – wie in der Kooperation mit OEOO. So hat die Stiftung nun auch einen Großteil der Baukosten für die SEEKUH finanziert.
One Earth – One Ocean e. V.
Die Umweltorganisation One Earth – OneOcean mit Sitz in München Garching hat das Ziel, Gewässer vom Plastikmüll, aber auch Öl und Schadstoffen zu befreien. Bereits heute schwimmen auf den Weltmeeren riesige Teppiche aus Plastikmüll, der größte davon im Pazifik ist so groß wie Mitteleuropa, d.h. wie Deutschland, Österreich, Schweiz, Polen, Luxemburg, Ungarn und Tschechien zusammen. Schreitet die Verschmutzung im derzeitigen Tempo weiter voran, werden die Meere in wenigen Jahren vollständig vermüllt sein.
Gründer von One Earth – One Ocean (OEOO) ist Günther Bonin, 60, ehemals Inhaber einer IT-Firma und passionierter Segler. Seine Vision der „maritimen Müllabfuhr“ gliedert sich in mehrere Stufen: In einem ersten Schritt wird der Plastikmüll mit speziell von ihm entwickelten Geräten auf den Meeren eingesammelt, sortiert und zerkleinert. Trennung und Recycling des Mülls erfolgt an Land. In einer späteren Phase soll das gesammelte Plastik direkt an Bord von Tankern in Öl rückverwandelt werden. Aus einer Tonne Plastik lassen sich ca. 900 Liter Öl rückgewinnen. Seit 2015 hat Bonin sein IT-Unternehmen umgewidmet in eine AG zur Reinigung von Gewässern, um den Verein administrativ zu unterstützen.
Was wie die Utopie eines Idealisten klingt, nimmt mittlerweile konkrete Formen an. Mehr als 100 Unternehmen und Privatpersonen, darunter die Röchling Stiftung und die Deutsche Telekom AG, unterstützen das Projekt in unterschiedlicher Weise. Auch Thomas Hahn, der bei BMW Oracle das Siegerschiff des America’s Cup mitkonstruierte, unterstützt OEOO bei der Entwicklung der Müllschlucker-Schiffe. Im September 2016 wird die erste SEKUH ihre Arbeit aufnehmen. 2013 wurde One Earth – One Ocean e.V. für sein Konzept der Maritimen Müllabfuhr mit dem renommierten GreenTec Award 2013, Europas größtem Umwelt- und Wirtschaftspreis, ausgezeichnet.