Saal mit Seele
Vier Wochen im November
Es war wirklich ein besonderer Moment für die HafenCity: Nach fast zehn Jahren Bauzeit das erste Mal wieder an das Baakenhöft spazieren, das erste Mal ins Parkhaus fahren, das erste Mal die lange, lange Rolltreppe benutzen – fast zweieinhalb Minuten dauert die Fahrt – und dann das erste Mal den großen Saal in aller Ruhe besichtigen, zusammen mit über 300 Pressevertretern – Gänsehautmomente und ganz großes Kino. Auch bei der anschließenden Pressekonferenz im Großen Saal ist dieses Gefühl immer noch präsent, bei den Architekten, bei Intendanten, beim Hochtief-Chef und ganz besonders bei Bürgermeister Olaf Scholz.
Ergriffen erzählt er von dem Moment, als ihm die ersten Musiker des Elbphilharmonie Orchesters in einer Pause entgegenkommen, mit entrücktem Ausdruck auf den Gesichtern, und auch der abgebrühteste Pressevertreter sieht und fühlt, dass es in diesem Moment nicht um Kosten und Fehlplanungen, sondern um echten Stolz geht, Stolz auf ein fertiggestelltes Projekt, das es so in Hamburg noch nicht gegeben hat und für das es in den Folgetagen weltweit Lob und Anerkennung in den Medien geben wird. Vergessen all der Ärger und die Verzögerungen, und später spürt man eine ähnliche Euphorie und Erleichterung bei Hochtief-Chef Marcelino Fernández Verdes, als dieser bei der eigentlichen Eröffnung der Plaza letztlich den Bau mit der amerikanischen Mondlandung vergleicht, die auch unzählige Erfindungen erst möglich gemacht haben. „Die ingenieurtechnischen Anforderungen bei der Errichtung der Elbphilharmonie waren immens. Das zeigte sich in fast jeder Phase des Baus. Heute sind wir stolz, das Gebäude zur größten Zufriedenheit aller übergeben zu können. Entstanden ist ein Bauwerk, das nicht nur die Hamburger, sondern alle Besucher der Stadt faszinieren wird“, sagt er und erzählt von der Besonderheit der Details wie den Fassadenelementen, die extra für das Gebäude entwickelt werden mussten.
Man merkt aber bei dem Festakt, dass die Beteiligten, die vorher bei der Gesamtbesichtigung dabei waren, in Gedanken noch in den Etagen oberhalb der Plaza weilen und dort beileibe nicht nur im Großen Saal. Denn auch die restlichen später der Öffentlichkeit bei Konzerten zugänglichen Räume sind großartig. Vor dem Konzert muss man unbedingt einen ausführlichen Lustwandel in den wie bei Escher verschränkten Foyers rund um den Saal einplanen, die immer wechselnden Ausblicke an einer der vielen Bars genießen, um dann als Höhepunkt in den Saal auf seinen Platz zu wechseln und diesen in Ruhe auf sich wirken zu lassen – bis dann die Musik beginnt und den Fokus auf sich zieht. Nach diesem Erlebnis bleibt auch die Plaza beeindruckend, ist aber nur ein Drittel des Vergnügens eines Besuches der Elbphilharmonie und wird später eher ein alltägliches Erlebnis sein – ein Konzertbesuch aber definitiv nicht. Diese Gefühle spürt man beim Festakt, als sich 500 geladene Bürger unter die Medienvertreter mischen. Staunen bei den neu dazugekommenen, Entrücktheit bei den anderen.
Dabei ist auch die Plaza ein fantastischer Ort, wenn man sich nicht am Wochenende mit Touristenmassen den Platz teilen muss. Zur Eroberung als alltäglicher Ort in der HafenCity gehört auch der abendliche oder nächtliche Besuch mit Gästen, dann, wenn sich nur noch eine überschaubare Anzahl von Menschen auf der Plaza aufhält, ein kurzer Spaziergang rundum, ein Blick auf die Menschen, die sich in der Hotelbar tummeln. Irgendjemand Bekanntes zu sehen? Ah, Steffi Graf! Einmal Hafenpanorama genießen und dann ab auf einen Absacker ins Störtebeker. An der Bar eines der außergewöhnlichen Biere genießen – zum Beispiel das Scotch-Ale – und den Tag mit Blick auf die Landungsbrücken ausklingen lassen. Aber Vorsicht beim Tipp der Redaktion: Es werden leicht mehr als nur ein Ale und mit 9 Prozent Alkohol sollte man spätestens den Wagen stehen lassen, wenn man nicht das Glück hat, sowieso nur einen kurzen Weg nach Hause zu haben. Wenn man dann nachts um halb zwei völlig allein die Rolltreppe hinunterfährt – ja, das Störtebeker hat länger als die Plaza auf –, können einem Hans Albers und die Reeperbahn gestohlen bleiben.