Der Untergang der Pamir
Wie die Peking gehörte auch die Pamir, die vor sechzig Jahren unterging, zu den legendären Flying P-Linern
Stolz liegt sie da. Fest vertäut im Hamburger Hafen. Die Viermastbark „Pamir“. Es ist eines der letzten Male, dass sie ihren Heimathafen angelaufen hat. Und der Zufall will es, dass der Rostocker Schiffbauingenieur Fritz Best an einem warmen Tag des Jahres 1956 eine Rundfahrt durch den Hamburger Hafen unternimmt. Fasziniert von der imposanten Schönheit des fast 115 Meter langen Windjammers, bannt der damals 31-Jährige die „Pamir“ auf seinen Dia-Film. Zwei Aufnahmen halten den Moment fest. Was der Fotograf nicht wissen kann: Nur ein Jahr später wird das frachtfahrende Schulschiff auf seiner Rückreise von Buenos Aires nach Hamburg im Atlantik Opfer des Hurrikans „Carrie“ werden. Beim größten Schiffunglück der deutschen Nachkriegsgeschichte werden 80 der 86 Seeleute an Bord umkommen. Am 21. September 1957 versinkt der Viermaster in den Tiefen des Ozeans.
Heute, 60 Jahre nach dem Untergang der „Pamir“, ist die Tragik der Katastrophe weiterhin wach. Und viele trauern um die Mannschaft und das Schiff. „Ich erinnere das wie heute“, sagt Nikolaus W. Schües, Inhaber der Firma F. Laeisz, unserer Zeitung. „Und ich empfinde nur unglaubliche Traurigkeit. Traurig sind bei uns alle, unendlich traurig“, fügt der 81-Jährige hinzu. Ansonsten hat sich Laeisz seit dem Unglück stets aus allem, was die „Pamir“ betraf, strikt herausgehalten – schon aus seemännischer Ehrbezeugung. Die „Pamir“ wurde 1905 auf der Hamburger Traditionswerft Blohm & Voss gebaut, 3.101 Bruttoregistertonnen groß. Am 18. Oktober 1905 stellte die Hamburger Reederei F. Laeisz die Viermastbark in Dienst. Sie gehörte zu den legendären „Flying P-Linern“ und hatte deshalb wie ihre Schwestern einen mit „P“ beginnenden Namen. Die „Pamir“ war das kleinste dieser acht Schiffe. Anfänglich lief sie neun Jahre auf Salpeterfahrt nach Chile, den Ersten Weltkrieg überdauerte sie auf Reede auf den Kanaren, ging bis 1924 als Reparationsleistung nach Italien. Dann gelang es der Laeisz, das Schiff zurückzuholen. Sieben Jahre später verkaufte Laeisz die „Pamir“ schließlich an den finnischen Reeder Gustaf Erikson. Im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten die Neuseeländer den Windjammer und setzten ihn im Amerika-Verkehr ein. 1949 an die Finnen zurückgegeben, durchlief das Schiff in den folgenden Jahren etliche Stationen und Eigner. Ende 1954 schlossen sich letztlich 40 deutsche Reeder zur „Stiftung Pamir und Passat“ zusammen, um auch künftig eine Ausbildung für den seemännischen Nachwuchs auf frachtfahrenden Schulschiffen zu ermöglichen. Im Februar 1955 ging die „Pamir“ wieder unter deutscher Flagge auf Südamerika-Fahrt. Einige der „Flying P-Linern“ existieren noch heute. In Travemünde ist die „Passat“ vertäut, aus New York wurde jüngst erst die „Peking“ wieder nach Deutschland zurückgeholt, und im finnischen Mariehamn liegt die „Pommern“. Als Einzige noch immer auf den Meeren unterwegs, ist die einstige „Padua“ regelmäßig auch Gast in Hamburg, und zwar als russisches Schulschiff unter dem Namen „Kruzenshtern“. Zu ihrem letzten Südamerika-Turn war die „Pamir“ in Hamburg am 1. Juni 1957 unter Ballast aufgebrochen. Zehn Wochen später machte sie in Buenos Aires wieder die Leinen los für die Rückreise mit einer Ladung Gerste. Am Morgen des 21. September geriet der Viermaster etwa 600 Seemeilen südwestlich der Azoren in den Hurrikan „Carrie“. Es gelang der Stammbesatzung und den 51 jugendlichen Seefahrtsschülern nicht mehr, die Segel zu bergen – sie zerfetzten. Die verrutschende Gersteladung brachte das Schiff in schwere Schlagseite, die stabilisierenden Tieftanks waren mit Gerste statt mit Wasser gefüllt, und über offene Aufbauten drangen Brecher ins Schiff. Vermutungen gingen auch dahin, dass der Viermaster im Hurrikan leckgeschlagen sei. Nach drei Stunden schwersten Ringens der Mannschaft und etlichen SOS-Funksprüchen kenterte die „Pamir“ schließlich durch, trieb für kurze Zeit kieloben, ehe sie unterging.Nur wenigen Seeleuten gelang es, sich in drei letzte angeschlagene Rettungsboote zu hieven. Trotz einer tagelangen beispiellosen internationalen Hilfsaktion von 78 Schiffen aus über einem Dutzend Ländern sowie etlichen Flugzeugen überleben am Ende lediglich sechs Männer die Katastrophe. Fünf werden am dritten Tag, ein weiterer am Folgetag geborgen. Heute laden die Reste von Rettungsboot Nummer 2 in der Lübecker Jakobikirche sowie Rettungsboot Nummer 6 im Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven und ein Stück Bordwand von Rettungsboot Nummer 5 im Schifffahrtsmuseum Brake zum Gedenken an die Umgekommenen ein. Und Bilder wie jenes auf dieser Seite. n Michael Best