Besuch der Spinnenfrau
Kurzweilige Lach- und Sachgeschichten rund um die Brückenspinne im Nachbarschaftstreff
Sich selbst mußte Anja Nioduschewski, die Spinnenfrau der Uni Hamburg, erstmal selbst mit einer Therapie von ihrer Arachnophobie befreien, jetzt forscht sie in der HafenCity, um eine Lösung für das Brückenspinnenproblem zu finden.
Unter dem Motto "Die HafenCity spinnt" hatte der Nachbarschaftstreff gerufen und vierzig Nachbarn folgten dem Ruf. Das Thema Spinnen hatte viele mobilisiert, die eindrucksvollen Werke der Spinnen konnte man dann auch an direkt den Fassaden im Innenhof der Bergedorf-Bille-Bauten besichtigen. "In der HafenCity und Speicherstadt herrschen ideale Lebensbedingungen für die Spinnen" führte Anja Nioduschewski aus, "aber auch in Duisburg kann man die Brückenspinnen bei ihrer Arbeit beobachten". Im Duisburger Binnenhafen gibt es eine Brücke, die liebevoll "Spinnenbrücke" genannt wird und die viele Duisburger unheimlich finden. In der HafenCity aber findet die Spinne alles was sie braucht. Zuckmücken, von denen es Frühlings-, Sommer- und Herbstpopulationen gibt, Wasser, verwinkelten Bauten und nachts Beleuchtung.
Die Brückenspinne, wissenschaftlicher Name Larinioides sclopetarius, ist das Thema der Doktorarbeit von Anja Nioduschewski, konkret "Wissenschaftliche Expertise über die Reduzierung von Spinnenbefall in der Hafencity Hamburg". Dieses Wissen wollte sie, die seit einiger Zeit im Auftrag der HafenCity Hamburg auch nachts, an Fassaden kletternd das Verhalten dieser noch kaum erforschten Spinnenart zum Wohle der Menschen in der HafenCity erforscht, mit dem Nachbarschaftstreff teilen. Dazu gab sie kurzweilig auch Tipps zum Thema Vermeidung von Spinnen.
Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Die Spinnen können aus der HafenCity nicht entfernt werden, dazu sind die Lebensbedingungen zu gut. Vielleicht ist das auch nicht wünschenswert, wie ein Nachbar anmerkte, denn die Spinnen sind Teil eines Gleichgewichtes, das in seiner positiven Konsequenz auch den Zuzug von Vögeln und die Reduzierung von Mücken bedeutet. Doch bis dieses Gleichgewicht eingetreten ist, können Anwohner, Verwalter und Architekten ihren Teil dazu beitragen, das Auftreten der Spinnen zu begrenzen.
Die Vermeidung von allzugroßen Spinnenbefall fängt bei der Planung des Architekten an. Welche Wirkung unterschiedliche Baukonzepte auf das Aufkommen von Spinnen hat, kann der aufmerksame Spaziergänger in der HafenCity selbst entdecken. Bei Gebäuden, die viele Schlupfwinkel für die Spinnen bieten, wie zum Beispiel die Lamellenstrukturen an Gebäuden Am Kaiserkai 3 und 5, ist die gesamte Fassade mit Netzen bedeckt. Unmittelbar daneben, am Baltic-Carree mit einer eher glatten Fassade, sind Spinnen nur ein Einzelphänomen. "Bei der Bauplanung in Gewässernähe müssen solche Faktoren dann den Architekten auch bewusst sein, um sie zu vermeiden" fordert Anja Nioduschewski, die die subjektiven Beobachtungen dann auch mit Experimenten belegt hat. Bei dem zweiten Faktor bei der Baugestaltung, der nächtlichen Beleuchtung kann Sie noch keine gesicherten Erkenntnisse anbieten ausser "Je weniger desto besser". Die Art der Beleuchtung hingegen spielt bei den Spinnen selbst keine große Rolle, einzig bei anderen Insekten zeigten Natriumdampflampen eine positive, sprich auf die Insektenhäufigkeit negative, Wirkung.
Der Hausbewohner selbst kann mit seinem Verhalten weniger das Aufkommen der Spinnen beeinflussen. Sauberkeit macht es den Spinnen schwerer sich zu verbreiten, verhindert es aber nicht. "Frisch geputzte Fenster verhindern zuverlässig, dass die Spinne über das Fenster laufen kann, doch Jungspinnen können mit einem Flugfaden jede gewünschte Höhe erreichen" antwortet die Doktorandin auf die Frage einer Anwohnerin. Regelmäßige Fassadenreinigungen können die Vermehrung der Spinnen behindern, doch sie müssen dann auch wirklich regelmäßig sein, die Brückenspinnen vermehren sich über das ganze Jahr hinweg, solange die Bedingungen günstig sind. Bis zu 1200 Nachkommen bekommt eine Brückenspinne während ihres einjährigen Lebenszyklusses, jedes Gelege besteht aus einem Kokon mit ungefähr 100 Spinneneiern. Die Kokons sind dann auch der Teil des Spinnenproblems, der die Anwohner besonders beschäftigt. Den Dreck den die Spinnen hinterlassen. Kot, Kokonrückstände, Überreste von Häutungen, Überreste von Mahlzeiten und nicht zuletzt die Spinnennetze, die wie eine Nachbarin anmerkt, "Nur mit der Schere zu beseitigen sind, so fest sind sie".
Die Verteilung der Rollen bei den Zuhörern ist dann auch klassisch. Den Frauen fällt sich Rolle zu sich zu ekeln und sich über die Rückstände zu sorgen, während der männliche Part der Zuhörer sich eher über die Paarungsgewohnheiten der Brückenspinnen amüsieren kann, doch "das die Brückenspinnenweibchen die Männchen nach dem Akt verzehren ist eine Legende. Eher passiert es das Spinnen andere Jungspinnen verzehren, die in ihr Revier eingdrungen sind".
Vor Gifteinsatz warnt die Forscherin dann auch. Der einzige der im Endeffekt darunter leidet ist der Mensch. Selbst wenn es unwahrscheinlicherweise gelingen würde das Gift gezielt nur den Spinnen zu verabreichen, gelangt das Gift über die Nahrungskette wieder zurück in den Menschen. Also Finger weg!
Aktuell forscht Anja Nioduschewski an einer Lösung auf Basis von Lockstoffen und Fallen. Doch dazu muss erst der Lockstoff isoliert werden, und das ist noch ein langer Weg – und – möglicherweise existiert gar keiner.
Bleibt die Hoffnung, dass sich dafür dann die natürlichen Freßfeinde der Spinnen, Vögel, in der HafenCity stark vermehren. Deren Verhalten in Bezug auf die Brückenspinnen ist noch kaum erforscht. "Kamikazeamseln", wie sie zur Zeit an den Fassaden zu beobachten sind, scheinen ein neues Phänomen zu sein. Diese Amsel stürzen sich in halsbrecherischer Weise an den Fassaden in die Tiefe, um Insekten von der Fassade zu sammeln. Doch das ist ein ganz anderes Thema…