Kavenzmänner am Kaiserkai
Biounterricht im Schnelldurchlauf
Trotz seiner gerade erst gestorbenen Katze ließ es sich Professor Doktor Helmut Gärtner nicht nehmen, seinen Nachbarn in den Gemeinschaftsräumen der Bergedorf-Bille Stiftung eine Lektion in ganzheitlichem oder vernetztem Denken zu erteilen. Der Umweltpädagoge, einer von nur vier Professoren zu diesem Thema in Deutschland, zeigte am Beispiel des Ökosystems Meer, dass es doch Auswirkungen auf sein persönliches Leben hat, wenn "in China ein Reissack umfällt".
An den Anfang seines Vortrages stellte er die Forderung "Umwelt sollte man als Allgemeinbildung völlig neu definieren" und in den Schulen und im Alltag die heute lebenswichtigen Kenntnisse ganz neu bewerten. Seine Forderungen begründete er dann bildhaft anhand des Ökosystems der Meere und dessen Bedeutung für das Weltklima und das eigene Leben. Er zeigte wie weitläufig und vielfältig diese Lebensgemeinschaft ist, und zu welchen Leistungen in der Lage. Das "Weltklimaband" der globalen Meeresströmungen war einigene Zuhörern zwar schon aus Frank Schätzings "Der Schwarm" bekannt, hier wurde das verflochtene Netz der Flüsse im Meer mit Bildern und Fakten verdeutlicht. Die Bedeutung des Meeres für das weltweite Klima wird schon anhand eines Beispieles klar. Ein saures Meer kann nicht mehr soviel CO2 aufnehmen wie ein intaktes Meer.In der Folge erhöht sich der Anteil von CO2 in der Atmossphäre und verstärkt dort die Auswirkungen des Klimawandels.
Die Tragweite von Veränderungen zeigte Helmut Gärtner am Beispiel des Golfstroms. Tausend Jahre dauert ein kompletter Kreislauf des Wassers von Grönland bis zum indischen Ozean. Vor den rund fünfzig Zuhörern in der Strasse "Am Kaiserkai 3" forderte er ein Umdenken vom klassischem Schema "Vergangenheit – Gegenwart" hin zum vernetzten Denken dass die Zukunft mit einbezieht.
Bei der anschliessenden Diskussion interessierte seine Zuhörer anschliessend am meisten die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen auf die HafenCity. Hier wagte er sich aber an keine Prognose über die derzeitig kursierende Meldungen in den Zeitungen hinaus.
Hier noch das von Helmut Gärtner angesprochene Gedicht von Joachim Ringelnatz:
Seepferdchen
Als ich noch ein Seepferdchen war,
Im vorigen Leben,
Wie war das wonnig, wunderbar
Unter Wasser zu schweben.
In den träumenden Fluten
Wogte, wie Güte, das Haar
Der zierlichsten aller Seestuten
Die meine Geliebte war.
Wir senkten uns still oder stiegen,
Tanzten harmonisch umeinand,
Ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand,
Wie Wolken sich in Wolken wiegen.
Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn
Auf dass ich ihr folge, sie hasche,
Und legte mir einmal im Ansichziehn
Eierchen in die Tasche.
Sie blickte traurig und stellte sich froh,
Schnappte nach einem Wasserfloh,
Und ringelte sich
An einem Stengelchen fest und sprach so:
Ich liebe dich!
Du wieherst nicht, du äpfelst nicht,
Du trägst ein farbloses Panzerkleid
Und hast ein bekümmertes altes Gesicht,
Als wüsstest du um kommendes Leid.
Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnass!
Wann war wohl das?
Und wer bedauert wohl später meine restlichen Knochen?
Es ist beinahe so, dass ich weine –
Lollo hat das vertrocknete, kleine
Schmerzverkrümmte Seepferd zerbrochen