Zement verbindet (hoffentlich)
Baumängel in der HafenCity
Wenn jemand nach Fertigstellung der HafenCity ein Buch über die in dieser Zeit aufgetretenen Baumängel schreiben wollte, es würde ein sehr dickes Buch werden. Die Anzahl ist nicht wirklich ein Wunder, treten doch bei einem Bauvorhaben dieser Größenordnung selbst bei normalem prozentualem Anteil absolut eine unglaubliche Anzahl von Mißgeschicken, Fehlplanungen und Fahrlässigkeiten auf. Schon jetzt, bei nur einem kleinen fertiggestellten Teil gibt es in fast jedem fertiggestellten Gebäude Ärger zwischen Bauherren und Bauträgern beziehungsweise Bauunternehmen.
In einigen Objekten sind die Ärgernisse inzwischen vor Gericht gelandet, bei anderen wird noch nachgebessert. Ich will hier einige, anonymisierte Beispiele herausgreifen. Anonymisiert deswegen, weil das Thema ein Minenfeld ist und keiner der Beteiligten sich gerne in die Karten sehen läßt. Für die Bauträger sind Baumängel ein Kapitalrisiko, dass ihnen die Kostenkalkulation zerstören kann, für Bauherren mindern Mängel den Wert ihrer Immobilien und beeinträchtigen ihre Vermietbarkeit. Trotzdem sind natürlich viele Mängel ein offenes Geheimnis und der interessierte Leser kann sich vielleicht Mangel und Haus zusammenreimen.
Der Ärger beginnt im Kleinen. Um diesen Artikel selbst nicht zu einem Monster werden zu lassen, reicht hier vielleicht die kleine Aufzählung. Schäden im Parkett, zerkratzte Fenster, Nicht angeschlossene Steckdosen, fehlende Steckdosen, zu grosse oder zu kleine Türen, zugige Fenster und und und … Alles kleine Fehler, bei denen man, wenn sie einzeln auftreten, geneigt ist stoisch, manchmal jahrelang auf deren Beseitigung zu warten. Spannender wird es, wenn mit vermeintlich kleinen Nachlässigkeiten große Nachlässigkeiten einhergehen. Die vergessene Steckdose für den Küchenherd ist dann ein größeres Ärgernis, da zum notwendigen Verlegen in der Regel Stemmarbeiten erfoderlich sind.
In die gleiche Ärgerkategorie gehören Mängel die aus Fehlplanungen der Architekten rühren. Die HafenCity ist für die Bauplanung kein einfaches Pflaster. So nahe am Wasser, mit hohen Windlasten, auf meterhoch aufgeschüttentem Terrain, gibt es vieles was man falsch machen kann. Repräsentativ große Haustüren, die durch ihr Eigengewicht und zusätzlicher Windlast so verbogen sind, dass sie nur noch unter Schwierigkeiten schliessen, sind durchaus kein Einzelfall.
Gefährlicher sind noch Setzrisse, die bei unzureichend verdichtetem Boden entstehen, insbesondere wenn in der Nachbarschaft mit schwerem Gerät gearbeitet wird. Jalousinen, die der Windlast oder der nervösen Elektronik nicht gewachsen sind oder Bauten, die durch ihre vielen Ecken und Kanten beliebtes Siedlungsgebiet für unsere allseitsgeliebten Brückenspinnen sind.
Fast schon harmlos sind gottseidank die Fehler die im Flutschutz passiert sind. Der Super-GAu ist bisher noch nicht passiert, auch wenn bisher fast jede Flutschutztorkonstruktion erst am Haus reifen musste. In der Regel geht es dabei nur um ein paar Liter Wasser, bei undichten Fensterkonstruktionen stehen aber dabei auch schon seit Jahren bei jedem größerem Hochwasser Lokale unter Wasser. Auch schon vorgekommen: Die undichte Wand. Nicht so spektakulär wie in "Daylight", aber für die Bewohner trotzdem ärgerlich, sind feuchte Keller doch kein Spass.
Jetzt sind wir bei den größeren Ärgernissen angekommen. Kein Einzelfall sind Fehler mit Wasser und Ablussrohren. Gerne endet hier mal die Leitung blind in einer Wand. Der Einzug kommt, die erste Dusche wird genommen und in der Wohnung des Nachbarn unter dieser Dusche läuft das Wasser von den Wänden. Mehrfach vorgekommen und glücklicherweise bisher, sowiet bekannt, nur mit harmlosen Wasserqualitäten. Fast schon unglaublich ist das Gerücht, dass in einem Erdgeschoss eines Komplexes die kompletten Heizungen vergessen worden sind und nachträglich eingebaut werden mussten.
Richtig ärgerlich wird es, wenn Schimmel ins Spiel kommt. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, da bei der Masse der Neubauten fast immer Zeitdruck ins Spiel kommt, durch die üblichen Verzögerungen alle Beteiligten Terminprobleme bekommen und in Wohnungen einziehen, die eigentlich noch nicht wirklich trocken sind. Hier helfen nur Abstandshalter an allen Möbel, damit Luftzirkulation gewährleistet ist. Manchmal ist aber selbst diese Maßnahme nicht wirksam, das in das betreffende Gebäude noch gar niemand eingezogen ist. Auch hier natürlich Gerüchteweise: Alle Innenwände der oberen Stockwerke eines Hauses mußten nach Fertigstellung wieder abgerissen werden, weil sich hier der Schimmel schon vor dem Einzug festgesetzt hatte.
Auch der kleinste Mangel kann zum Riesenärger werden, wenn die beteiligten Bauunternehmern, deren Subunternehmer oder deren Subsubunternehmen zwischenzeitlich den Weg in die Insolvenz angetreten sind. Hier jemand haftbar zu machen ist eine Sysiphus-Arbeit und wohl demjenigen, der ein vertrauenswürdiges Bauunternehmen mit überschaubarer Gewerkverteilung mit seinem Bau beauftragt hat.
Nun haben Baumängel auch eine gute Seite. Dem Menschen in der HafenCity fällt es nie schwer ein gemeinsames Thema für einen Smalltalk zu finden. Neben Wasser, Schiffen und Touristen ist das Thema Baumängel absolt hitverdächtig in der Verbindung der Menschen untereinander. Manch eine Eigentümergemeinschaft fidnet erst richtig zueinander, wenn es um die Beseitigung der Baumängel geht.