Positionen
Gute Nerven sind gefragt
Während am vorderen Ende des Dalmannkais so langsam Ruhe einkehrt, müssen die Anwohner Richtung Elbphilharmonie noch länger mit den Unbillen von Baustellenlärm, Staub und Schmutz leben. Neben der Elbphilharmonie selbst stehen Arbeiten an der Kaiserkaipromenade, den dazugehörigen Plätzen und irgendwann auch der Hubbrücke und des Fähranleger an, sowie die Baustelle des Notausstieges der U4. Viele der Arbeiten werden noch Jahre andauern, verständlicherweise liegen die Nerven der Anwohner bloß.
Die Hochbahn versucht mit regelmäßigen Informationsveranstaltungen „den Deckel auf dem Topf“ zu halten, doch der Erfolg lässt nach. Die Aussicht auf mindestens weitere zwei Jahre Bauarbeiten teilweise direkt vor den Schlafzimmerfenstern weicht auch die toleranteste Position auf. Anfang Juli fand eine dieser für Verständnis werbende Veranstaltung für die Anwohner statt, in deren Anschluss den Anliegern mit einer exklusiven Führung über die Baustelle die Dimension des Projektes U4 näher gebracht werden sollte. Anwohnerbeauftrage Maja Brandl gab sich alle Mühe, die Arbeiten rund um den Notausstieg möglichst plastisch und transparent vorzustellen, stieß aber bei der Werbung um Verständnis für Arbeiten spät in der Nacht und am Wochenende auf verhärtete Positionen.
Erster Kritikpunkt war der Elektrokran, der den schon zu lauten Motorkran ersetzt hat. Laute Klackgeräusche beim Schalten und Manövrieren wären störender als das Motorgeräusch des vorherigen Krans. Weitere Befürchtung: Das für die Verfestigung des Grundes in 40 Meter Tiefe notwendige Vereisungsgerät würde den Geräuschpegel nochmals erhöhen. „Kann man das Gerät nicht in den unterirdischen Technikraum stellen?“ lautete die Frage eines konstruktiven Anwohner, und ob man nicht statt dessen geräuschlosen flüssigen Stickstoff verwenden könne?
Die meisten Fragen der Anwohner werden mit ausführlichen Ausführungen von Maja Brandl und der sie begleitenden ehemaligen und amtierenden Projektleiter der Hochbahn beantwortet, viele technische und organisatorische Details erklärt, doch Bewegung gibt es in fast keiner Position.
Auch im Punkt Wochenendarbeit gibt es wenig Hoffnung. Abseits der Zusicherung, nicht vor acht Uhr morgens mit den Arbeiten anzufangen, ist Maja Brandl kein Versprechen über den Verzicht auf Wochenendarbeit zu entlocken.
„Kann ich davon ausgehen, das am Samstag nicht gearbeitet wird?“ fragt ein Anwohner in Hinblick auf eine Ankündigung der Hochbahn, nur bis Ende Juni am Sonnabend zu arbeiten. Maja Brandls Antwort im besten „Juristendeutsch“: „Wir können im Moment bei besten Willen nicht zusagen, das Samstags nicht gearbeitet werden muss.“ – „Das ist doch Verarschung!“ Angesichts der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Temperaturen von über 30 Grad und einer weiteren sprachlichen Entgleisung, diesmal von der Gegenseite, bleibt es aber zivilisiert. Eigentlich sind die meisten der Anwesenden von der technische Dimension dieses Großprojektes beeindruckt und man will den Bau ja nicht stoppen. Es geht nur um eine Kernnachtruhe und ein einigermaßen ungestörtes Wochenende.
Westen zur Sicherheit“ src=“https://www.lampsha.de/wp-content/flagallery/hcn/u4/notausinfo/IMG_0510.jpg“ alt=“Bunte >Westen zur Sicherheit“ width=“226″ height=““ align=““>Die anschließende Führung durch die fast fertig gestellte Haltestelle Überseequartier und den Startschacht bringt Ruhe in die Schar. Die Dimensionen der Betonbauwerke lassen niemanden unbeeindruckt zurück, und die schwülen Temperaturen lassen auch die Fittesten erschöpft zurück. Doch steht zu erwarten, dass zu diesem Thema das letzte Wort noch lange nicht gesprochen worden ist.
Was macht die Arbeiten an diesem Notausstieg so kompliziert und langwierig?
Für ein Verständnis der Arbeiten am Notausstieg muss man sich die endgültige Form des Notausstieges vorstellen. Ein sogenannter Querschlag wird einmal die beiden Tunnelröhren in 40 Tiefe miteinander verbinden. Von diesem Querschlag führt ein kurzer horizontaler Tunnel zur vertikalen Notausstiegsröhre, in der eine Doppelwendeltreppe für ein schnelles Entkommen im Notfall sorgen soll. Fertig gestellt ist zur Zeit die äußere Hülle der Ausstiegsröhre.
Im Moment wird Stück für Stück das Innere der Röhre ausgehoben, die freigelegte Wand geschliffen und dann mit einer Betoninnenschale versehen. 80 von diesen „Abschlägen“ wird es bei 40 Metern Tiefe geben, die voraussichtlich 160 Tage in Anspruch nehmen werden. Für den Fortgang der Arbeiten spielen Faktoren wie die Aushärtezeit von Beton von 21 Tagen eine Rolle, sowie die begrenzte Verfügbarkeit von Bergbauspezialisten, die überwiegend aus Süddeutschland und Österreich kommen. Hier liegt nach Hochbahnaussage die Notwendigkeit der zeitweiligen Samstagsarbeit begründet. Diese Spezialisten haben einen traditionellen 10-Tage-Arbeitsrythmus, der zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten führt.
Ist die Sohle erreicht, muss auf die zweite Vorbeifahrt von VERA gewartet werden, da vorher das Risiko besteht, das der Schacht instabil wird. Ist dies geschehen, wird der Boden rund um die Schachtsohle und die beiden Tunnelröhren mit einer speziellen Vereisungstechnik tiefgefroren, um gefahrlos den Querschlag bauen zu können. Die Vereisung des Bodens dauert eine Zeit und muss bis zur Fertigstellung des Komplexes aufrecht erhalten werden. Die alternativ mögliche und schnellere Vereisung mit flüssigen Stickstoff wird durch die Arge abgelehnt, da ein Erstickungsrisiko für die Bergleute besteht. Zu Anfang wird das Vereisungsgerät in der Größe einer mittleren Trafostation dauerhaft laufen, nach erfolgter Vereisung nur noch gelegentlich, unter Umständen auch nachts. Dieses wird von Mai 2010 bis Mai 2011 passieren. Die gesamte Baustelle wird aller Wahrscheinlichkeit nach gegen Mai 2011 geräumt sein.
Für die Anlieger bedeutet es, dass noch fast drei Jahre Baustelle vor ihnen liegen – eine lange Zeit. In Kombination mit der Baustelle der Elbphilharmonie wahrlich keine erfreuliche Aussichten. Das technische Notwendigkeiten und Kostenbewußtsein auf Seiten der Hochbahn eine Rolle spielen, liegt auch in öffentlichem Interesse, doch da wo es möglich ist sollte auch auf die Belange der Anlieger eingegangen werden. Diese versuchen konstruktiv eine Lösung zu finden, die beiden Seiten nützt.
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