Wer arbeitet gegen den Hafen in Hamburg?
Springt doch woanders über die Elbe!
Zugegeben, die Forderung ist provokant, aber wer will den Sprung über die Elbe wirklich und welchen Preis bezahlt Hamburg dafür? Ist der Anschluss der Gebiete südlich der Elbe wirklich gewünscht oder nur elitäre Politik über die Köpfe der Betroffenen hinweg? Ist der Hafen für Hamburg verzichtbar geworden? Steigt die Attraktivität der HafenCity durch den Sprung oder wird die HafenCity langweilig?
Ein typisches Bild abends am Dalmannkai: Man kommt nach Hause, fährt oder geht über die Klappbrücke über den Sandtorhafen und sieht durch die Lücken zwischen den Häusern einen großen Frachter auslaufen. Die Brücke fast ebenso hoch wie die umliegenden Häuser – ein Bild dass man in dieser Form fast nirgends wo sonst auf der Welt hat.
Diese starken Eindrücke, gerade in der Dunkelheit mit Lichtern auf dem Wasser und gerne auch mit Nebel verbunden machen aus der HafenCity einen mystischen Ort, aus den Landspitzen fast selbst Schiffe irgendwo im Nirgendwo. Eine Atmosphäre die unbezahlbar ist und die letztlich auch den Wert der HafenCity ausmacht. Alles Gemecker über Abgase, Lärm und Gerüche gerät sofort in den Hintergrund, wenn sich in der Dunkelheit und leichtem Nebel Schiffe wie die „Atlantic Voyager“ oder ein großer Stückgutfrachter vom Steinwegterminal, begleitet von zwei Schleppern, in Richtung Nordsee verabschieden.
Machen wir jetzt einmal den Sprung über die Elbe und bewegen uns zwanzig Jahre in die Zukunft. Der Hafen ist von schrulligen Visionären und durch permanent sinkende Attraktivität auf die Flächen rund um den Köhlbrand geschrumpft, das Geschäft beherrschen Feederschiffe die Container von den großen Seehäfen Bremerhaven und Rotterdam nach Hamburg bringen. Da die Masse der Container sich sowieso schon auf Schienen befindet, gehen die großen Warenströme an Hamburg vorbei. Auf den Flächen der ehemaligen Hafenterminals befindet sich am Kleinen Grasbrook die Universität, gefolgt von Mischbebauung moderner Nutzarchitektur auf Steinwerder, analog zur Bebauung auf der Nordseite der Elbe. Auf dem Wasser tummeln sich Ausflugsschiffe im Stil der Louisana Star und schwimmende Reklamebildschirme wie sie aus Asien bekannt sind. Am Abend tauchen Tausend-Watt-Lampenbatterien die Ufer zur Erbauung der Touristen in gleißendes Licht. Allein die Masse an Gebäuden, zwar alle irgendwie verschieden, aber doch auch irgendwie gleich, hat dazu geführt dass der Immobilienmarkt sowohl im Büro- als auch im hochpreisigen Wohnungssegment zusammengebrochen ist. Unternehmen, die vom vormalig größten Logistikstandort für Nordosteuropa angezogen worden waren, haben sich aus Hamburg zurückgezogen und Leerstände von epischen Ausmaßen in Hamburg zurückgelassen.
Eine unrealistische Horrorvision? Provokante Spinnerei? Mag sein, aber es kann genauso gut sein das Hamburg, sollte es nicht auf seinen „USP“ – Unique Selling Proposition“ – achten, den Weg seines ewigen, inzwischen Möchtegern, Konkurrenten Bremen geht und andere Städte das Rennen um Wachstum und Wohlstand gewinnen. Auch Bremen hat im übrigen seine „HafenCity“, die Überseestadt. Wer jemals dort gewesen ist wird ein Stück weit die Hamburgs HafenCity wiedererkennen, dieselben zeitgenössischen Architekturversatzstücke, abgewirtschaftete Hafenanlagen und Hafenbecken. Nur! Und hier ist der entscheidende Unterschied zwischen Bremen und Hamburg: In Hamburg arbeitet der Hafen, es fahren Schiffe aller Größenordnungen direkt an den Häusern der HafenCity vorbei – In Bremen: Langeweile.
Sicherlich spielt in letzter Konsequenz die HafenCity mit der Elbphilharmonie in einer anderen Liga als Bremen, trotzdem besteht die Gefahr, das verschrobene Politik und Immobilienspekulanten das Herz von Hamburg ohne Not zerstören. Und – Hat eigentlich jemand die Menschen südlich der Elbe gefragt, ob sie diese Art von Sprung überhaupt wollen? Bessere Verkehrsanbindungen und Stadtentwicklung lassen sich in Wilhelmsburg und Harburg auch verwirklichen ohne gleich den Hafen platt zu machen. Verlängert die U4 nach Harburg, schafft Barkassenlinien, die die Innenstadt mit den Kanälen und Hafenbecken im Süden verbinden! Doch um wie viel attraktiver sind diese Verbindungen und die Orte die sie verbinden, wenn es einen funktionierenden Hafen in ihrer Mitte gibt? Darum schlicht – Finger weg vom Hafen.