A Japanese man in Hamburg

foto-26-07-16-21-20-09Buchtipp Henrik Siebold, „Inspektor Takeda und die Toten von Altona“

„Niemals erlebte er Hektik, keiner rannte, man nahm sich Zeit. Die Schrittgeschwindigkeit auf den Korridoren des Sterns war mäßig. Man blieb gerne stehen und plauderte. An den Vormittagen ging es zumeist um die bevorstehende Mittagspause, an den Nachmittagen um den bevorstehenden Feierabend. Zwischendurch tauschte man sich über Urlaube, Krankheiten und lange Wochenenden aus. Es ging aber auch um Lohnerhöhungen und Überstundenvergütung, um Freizeitausgleich und die Frage, ob die verpflichtenden Sportstunden der Beamten wegen der körperlichen Anstrengungen nicht doppelt honoriert werden müssten.

Diese Menschen, stellte Takeda fest, jammerten von morgens bis abends, sie kreisten um sich selbst. Das eigentlich Erstaunliche aber bestand darin, dass sie ihre Aufgaben dennoch vorbildlich erfüllten, und zwar mit großem Pflichtbewusstsein, ja eigentlich sogar mit Freude.“

Der Japaner Kenjiro Takeda kommt als Gast-Inspektor in die Hamburger Mordkommission. Kommissarin Claudia Harms, mit der er ein Team bilden soll, ist alles andere als begeistert: Sie ahnt, dass man sie aufs Abstellgleis schieben möchte und sie auf den Mann aus Tokio aufpassen sollte. Einen richtigen Fall würden sie vermutlich nicht bekommen.

Als in Altona ein älteres Buchhändler-Ehepaar tot in ihrer Wohnung aufgefunden wird, sieht es nach einem Selbstmord aus. Nur Takeda zweifelt an der Selbstmordtheorie seiner deutschen Kollegen. Schon bald kann er seine Partnerin Claudia Harms überzeugen, und sie beginnen zu ermitteln. Schnell stellen sie fest, dass es multikulturelle Unterschiede gibt: Während die toughe Harms deutsch-direkt Zeugen und Verdächtige befragt, geht es ihr japanischer Kollege ganz anders an. Tageda ist neugierig – neugierig auf die Deutschen, die Türken, die Lebensweisen, die Traditionen. Bei seiner anscheinend unbedarften Art fangen die Menschen an zu erzählen.

Schnell wird klar: Es gibt so einige, die Probleme mit den Buchhändlern hatten, dessen Laden aufgrund des bevorstehenden Abrisses des Hauses geschlossen werden sollte. Und nicht nur ihr Haus soll abgerissen werden …

Autor Henrik Siebold, wohnhaft in Hamburg, hat mehrere Jahre in Tokio gelebt. So schildert er einerseits gekonnt den Umbruch in der Bergstraße, mit dem ein ganzer Stadtteil ein neues Gesicht erhält. In seinem Roman haben alteingesessene deutsche Läden Probleme mit dem türkisch angehauchten Altona: Wie auch zeitpolitisch aktuell, gibt es die, die sich aufopfernd um die ausländischen Nachbarn kümmern, und die, die anderen Kulturen sehr kritisch gegenüberstehen. Inmitten dieses im Wandel befindlichen Stadtteils versucht Takeda seine neue Umwelt zu verstehen und sein Heimweh nach Tokio zu vergessen.

Ein charmanter und aktueller Kriminalroman, bestens geeignet für Lokalpatrioten!

Henrik Siebolds „Inspektor Takeda und die Toten von Altona“ ist im Mai 2016 bei Aufbau Taschenbuch erschienen.

416 Seiten, 9,99 Euro