Alle Kapitäne aufstehen !
Der Literarische Hafenclub und das Speicherstadtmuseum präsentierten "Orkanfahrt"
"Alle Kapitäne bitte aufstehen!" – Mit dieser Bitte wurde der Wunsch einer Dame erfüllt, die die vielen angereisten gestandenen "Mannsbilder" im Publikum identifiziert wissen wollte. Diese erfüllten ihr diesen Wunsch prompt und grüßten sie mit einem dreifachen "Hipp-Hipp-Hurra", in einer Präzision dargeboten, wie man sie heute wahrscheinlich nicht häufig zu hören bekommt. Rund 150 Zuhörer wollten dann auch den Hauch der großen weiten Welt erhaschen, der von Geschichten dieser Kapitäne ausgeht. Unter den Zuhörern befanden sich eine große Anzahl von pensionierten Kapitänen, die das anstehende neunzigjährige Jubiläum des Kapitänsbundes Hapag-Lloyd zum Anlaß nahmen, der Lesung von drei ihrer Mitgliedern aus dem Buch "Orkanfahrt" von Stefan Krücken und Achim Multhaupt beizuwohnen. Viele waren extra aus Bremen angereist.
Diese sorgten mit ihrer lebhaften Anteilnahme dann auch für einen unterhaltsamen Abend, der gerne noch hätte länger dauern können. Die Lesung der einzelnen Geschichten wurde immer wieder durch plastische Erklärungen der jeweiligen Situation unterbrochen, welche von den anwesenden weiteren Kapitänen lebhaft kommentiert wurden.
Eingeführt wurde der Abend vom Leiter des Speicherstadtmuseums Henning Rademacher, der mit "1962, als man noch mit richtigen Schiffen über den großen Teich gefahren ist" den älteren Teil des Publikums auf seine Seite brachte. Die Lesung war die Abschlussveranstaltung der Ausstellung "Auf großer Fahrt" in der Fotos und Souvenirs von Mitgliedern des Kapitänsbundes Hapag-Lloyd gezeigt wurden. Den ersten größeren Kommentarsturm aus dem Publikum trat er mit der Schilderung der Vorarbeiten zur Ausstellung los und der Erwähnung der Porzellansammlung von Chefsteward Paulsen. "Alles vom Flohmarkt!" Ungebremste Heiterkeit von seiten der Kapitäne.
Bärbel Dahms vom Literarischem Hafenclub weist nochmal darauf hin, das man selten einen Ort wo mehr Kapitäne versammelt sind finden wird, wie das Speicherstadtmuseum an diesem Abend.
Dann geht es los. Wer erwartet hat, eine wörtliche Lesung zu erleben wird eines Besseren belehrt. Keine Passage bleibt mit trockenem Humor unkommentiert. Kapitän Franzkeit beginnt mit seiner Geschichte vom Jungen der in Indonesien einem seelischem Leiden erliegt. Eigentlich eine traurige Geschichte, aber die Art des Erzählens läßt menschliche Schicksalsschläge normal in der Seefahrt erscheinen. Die Geschichte ist kurz und trotz das "Josef Conrad die besseren Seemannsgeschichten geschrieben hätte" Conrad nicht unähnlich. Die Heiterkeit im Publikum wird dann auch nicht durch die Tragik der Geschichte ausgelöst, sondern durch dieTrockenheit der Anmerkungen und Erklärungen.
Kapitän Scharrnbeck erzählt dann die Geschichte der Schiffe, die während des Sechstage-Krieges im Großen Bittersee im Suezkanal festlagen. Nach einem "Watt denn, haben wir jetzt die richtige Richtung ?" als der Tontechniker die Stellung des Mikrofons korrigiert, legt er los. Er ist ein Mann der Zahlen. Er kann genau berichten wieviel Seemeilen er während seines Lebens er gefahren und wieviel Eier während der Krise täglich mehrmals gewendet werden mußten um frisch zu bleiben. Beim Umblättern treffen die Blätter das Mikrofon und ein folgendes "OiOiOi" bringt das Publikum fast zum Toben. Vor den Augen der Zuhörer entstehen Bilder jener Tage als Schiffe und Besatzung während des Krieges viele Monate im großen Bittersee festlagen und zum Nichtstun gezwungen waren.
In der Pause kann man dann schon mal die Qualitäten des nächsten Lesers testen. Kapitän Curt Klews hat schon während der Ausstellung durch die Exponate geführt und lädt nochmal in der Pause zu einer letzten Führung, um dann an- und abschließend seine Geschichte von der Begegnung mit seinem Vater mitten im Atlantik vorzulesen. Nach einem kulinarischen Hinweis auf den Schellfischposten übergibt er mit den Worten "Der junge Mann ist zwar kein Kapitän aber trotzdem hübsch" an Stefan Krücken.
Dieser erzählt die Geschichte seines Verlages Ankerherz, der extra für dieses Buch gegründet worden ist. Alles Geld wurde gekratzt um "Orkanfahrt" zu realsieren und jetzt ist das Buch schon in der dritten Auflage auf dem Markt und das zweite Buch in Planung.
Keiner ist im Publikum, der gerne nicht noch mehr von den Kapitänen gehört hätte. Die Ausstellung geht an das Schifffahrtsmuseum Husum weiter. Wenn man Glück hat kann man dort eine Führung mit einem der Kapitäne erleben.
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Nächster Lesungstermin des literarischen Hafenclubs ist der 8.2.2008 in der Flussschifferkirche.