Alles geblitzdingst?
Fotografen! Vorsicht Kamera als Daueralltag
Der gemeine HafenCity-Bewohner wird statistisch gesehen etwa zehn Mal pro Tag fotografiert. Das harmlose Sonnenbad auf dem Balkon wird dokumentiert: Oh guck mal da, ein Ureinwohner! Klick, klick. In den Ferien kann dieser Wert an den Wochenenden auch schon mal dreistellige werden. Ganze Fotografie-Volkshochschulkurse machen sich auf den Weg in die HafenCity, und nichts ist vor ihnen sicher. Die Folgen für die Anwohner sind nicht weiter tragisch – nach fünf Jahren hat man sich daran gewöhnt, beim Frühstück am Wochenende mehrere dutzend Male fotografiert zu werden, und blickt nur dann und wann einmal auf, wenn einer dieser Foto-Massenwalks vor dem Fenster haltmacht und alles fotografiert, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Was man allerdings verliert, ist der Respekt vor der Einmaligkeit des Bildes und der Kunst des Fotografierens. Da mag man den Massen zurufen: Halt! Nicht die Scharhörn im Dunkeln fotografieren! Das ist heute keine Kunst mehr, das ist ganz, ganz langweilig, und jeder Hansel, der sich eine halbwegs aktuelle Kamera leisten kann und ein Stativ, bekommt das heute hin. Auch das Wasserschloss in der Speicherstadt ist so ein Motiv, das heute in jeder beliebigen Qualität im nicht mehr vorhandenen Familienalbum klebt. An manchen Tagen müssen sich die Fotografen vor den Motiven anstellen, im Dunkeln muss man in der Speicherstadt aufpassen, damit man nicht über Stativbeine und herumlungernde Fotografen stolpert. Eine endlose Schlange von Brautpaaren ergießt sich in die HafenCity – grauer Beton lässt die Hauttöne so besonders lebendig aussehen. Manch einer schüttelt mit dem Kopf, aber hier sind echte Profis am Werke. Grauer Beton hat tatsächlich diese Wirkung, und auch die per Tieflader angelieferte Hochzeitskutsche ergibt plötzlich einen Sinn. Deutschland – eine Nation von Fotografen und die HafenCity deren Hauptstadt.
Passend zum Thema findet am 15.September der erste Fotomarathon in der HafenCity statt