Als alles anders wurde
Tiergarten – in the garden of beasts
Am 8. Juni 1933 verändert sich das Leben der Familie Dodd: der amerikanische Geschichtsprofessor William E. Dodd möchte seine Arbeit zugunsten einer „anspruchslosen Tätigkeit für das Außenministerium“ eintauschen, um sein Lebenswerk, ein vierbändiger Band unter dem Titel „Alter Süden“ zu vollenden. Er ist nicht die erste Wahl Roosevelts, und es ist auch nicht das, was Dodd sich vorgestellt hat, als er sich um eine Position im Ausland bewarb: Dodd wird als amerikanischer Botschafter nach Berlin gesandt.
Mit seiner Familie begibt er sich auf die Reise in ein Deutschland, das im Umbruch ist. Dodd, der aus einfachen Verhältnissen stammt, trägt Straßenanzüge und bringt sein Auto aus Amerika mit. Er hält nichts von Cocktailparties und Empfängen, die ab jetzt zu seinem Leben gehören. 1930 glaubten in den USA laut einer Meinungsumfrage 41% der Befragten, Juden hätten „zuviel Macht in den Vereinigten Staaten“. So ist auch Dodd zunächst blind für die wachsenden Repressalien, denen die Juden in Deutschland ausgesetzt werden. Tochter Martha ist anfangs begeistert von Berlin, den Parties, Verehrern – und den Nazis. Sie stürzt sich von einer Liebesaffaire in die nächste. Nachdem es auch Übergriffe auf offener Straße auf Amerikaner gibt, versucht Dodd zu intervenieren, ihm wird versichert, dass dies nur Versehen seien, die Schuldigen würden zur Rechenschaft gezogen. Dodd muß feststellen, „dass die ganze Bande lediglich eine Horde von Verbrechern und Feiglingen ist.“
Als die Familie zu Weihnachten durch die Stadt fährt, „staunte Dodd aufs Neue über die ‚außergewöhnliche‘ Vorliebe der Deutsche für Weihnachtsschmuck. Überall sah er Christbäume, auf allen Plätzen und in jedem Fenster. ‚Man solle meinen‘, schreibt er, ‚die Deutschen glaubten an Jesus oder folgten seinen Lehren!‘“
Dodd setzt Roosevelt und das Außenministerium regelmäßig in Kenntnis über die beunruhigende Entwicklung in Nazi-Deutschland. Doch die USA – wie auch andere Staaten – schweigen. Die USA ist nicht an einer Auseinandersetzung mit Deutschland interessiert, ist Deutschland doch hochverschuldet bei den USA, die eine Rückzahlung der Schulden nicht gefährden will. Und sowieso glaubt jeder, dass der Spuk um den nicht ernstzunehmenden Hitler bald ein Ende findet. Dodd, dem es immer schwerer fällt, hochrangige Nazis zu treffen, drückt seine politische Haltung dadurch aus, den Parteitagen der Nazis fernzubleiben.
Der Autor Erik Larson war Reporter für das Wall Street Journal und Time. „Tiergarten – in the garden of beasts“ ist ein Sachbuch, das auf Tagebüchern, Briefen und historischen Dokumenten basiert. Aus diesen ganzen Einzelstücken hat Larson ein spannendes wie auch erschütterndes Gesamtwerk erschaffen, das die bedrohliche Entwicklung Deutschlands aus Sicht der Botschafterfamilie zeigt.
Erik Larson „Tiergarten – in the garden of beasts“ ist bei Hoffmann und Campe im Oktober 2013 erschienen. Gebundene Ausgabe, 512 Seiten, Euro 24,99