Auf der Durchreise
„‚Als mein Großvater gestorben ist, da haben wir neunzig Zebus getötet‘. Eine solche Aussage, vollkommen unangebracht und damit Ausdruck der unterschiedlichen Lebensformen, ist allein schon eine Reise wert. Der Fahrer wirft mir seinen genialen Satz an den Kopf, damit ich ihn ernst nehme. Er möchte mir zu verstehen geben, dass er nicht irgendwer ist. Dem stimme ich gern zu. Beim Tod meines Großvaters wurde nicht ein einziges Zebu getötet.“
Der Journalist und Buchautor Julien Blanc-Gras wird 1976 in Gap in den französischen Alpen geboren. Während andere Kinder abends ein Kuscheltier zum Einschlafen brauchen, nimmt Blanc-Gras seinen aufblasbaren Globus mit ins Bett. Er träumt davon, ferne Länder zu bereisen, und schon bald steht sein Berufswunsch fest: Er möchte Tourist werden.
Blanc-Gras wird in gewissem Sinne wirklich Tourist; als Journalist begleitet er unter anderem Forscher auf ihre Reisen in Gegenden, in denen die Einwohner keine Ausländer kennen, und sogar in Gebiete, die noch nie ein Mensch vorher betreten hat. Wie wird man für einen Bollywood-Film gecastet? Wie ist es, in einer englischen Fischfabrik zu arbeiten? Wie übersteht man Schlammbäder in kolumbianischen Vulkanen und Expeditionen mit Forschern in Mosambik, auf der Suche nach Euphorbien? Und was ist der größte Kulturschock? Das ist für Blanc-Gras die Deutsche Monika, die er auf einer Flusskreuzfahrt in China trifft und die nicht versteht, „warum die Französinnen sich regelmäßig die Beine epilieren.“
Blanc-Gras nimmt den Leser in die entferntesten Winkel der Erde mit, in viele, in die der „normale“ Tourist nicht kommen wird, und beschreibt seine Erlebnisse mit einem wunderbaren Humor; eigentlich kann man beim Lesen die ganze Zeit lachen – auch wenn es durchaus ernste Situationen und Zustände auf der Welt gibt, denen er begegnet.
„Höflichkeit, Neugier und Offenheit“ sind die Eigenschaften, die ein Reisender benötigt. Und lernen kann man bei Reisen auch, zum Beispiel, dass ein nasses Nilpferd nicht gefährlich ist.
Fazit: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Und wer keine Reise tut, der möge alternativ „Tourist“ lesen.
Julien Blanc-Gras: „Tourist“ ist am 3. März 2015 im mareverlag erschienen. 240 Seiten, gebunden, 20 Euro