Auf der Verliererspur
Highway to hell: Den Behauptungen zum Trotz – Radfahrer sind ratlos
Er ist grau, rund zwei Meter breit und soll ein Statement für moderne ökologische Fortbewegung in Hamburgs fortschrittlichstem Stadtteil sein. Die Realität: Er ist grau, wird in seiner Funktion nicht wahrgenommen und ist ein Zeichen dafür, dass in Hamburg Menschen Dinge planen, die sie selbst nie benutzen. Die Rede ist vom Musterbeispiel verfehlter und nicht zu Ende gedachter Verkehrspolitik, dem Radweg an den Straßen Am Sandtorkai und Brooktorkai. Dabei ist dieser Radweg nur ein Beispiel unter vielen, und zugegeben – in anderen Stadtteilen sieht die Situation häufig noch viel schlimmer aus. Also warum meckern? Weil die Chance vertan wurde, gleich von Anfang an alles richtig zu machen. Die Kritik an der Farbe macht den Anfang: Das dunkle Grau unterscheidet sich nicht sonderlich vom etwas helleren Grau der umgebenden Fußwege und der kreuzenden Einfahrten.
Die Folge: Kaum jemand nimmt den breiten Radweg als das, was er ist, wahr. Fußgänger erkennen nicht den Unterschied, Autofahrer verwechseln den Weg als Parkplatz, Müllcontainer werden exakt in den Markierungen platziert. Die Fahrradfahrt gleicht an manchen Tagen einem Slalomparcours mit sich bewegenden Hindernissen. Erschwerend kommt hinzu, dass der zweispurige Charakter des Radweges scheinbar nicht jeder Stelle in der BSU und selbst nicht mal jedem Radfahrer klar ist. Ampeln zeigen nur in einer Richtung Fahrradsymbole, Autofahrer reagieren erschrocken und manchmal auch ärgerlich auf anscheinend aus falscher Richtung kommende Fahrradfahrer. Kein Hinweis, keine Fahrbahnmarkierungen weisen auf die Zweispurigkeit hin. Nicht umsonst kritisiert auch der ADFC besonders die Radwegegestaltung in der HafenCity: „Wir bemängeln den flexiblen und allzu leichtfertigen Umgang der Behörden mit den Radlern. Was an der einen Stelle verboten ist und als gefährlich gebrandmarkt, wird an anderer Stelle behördlicherseits vorgeschrieben. Besonders in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hat scheinbar niemand Kenntnisse von sicheren und funktionierenden Radwegen“, stellt Stefan Warda, verkehrspolitischer Sprecher des ADFC Hamburg, resigniert fest. „Im Radwegebau versagt die Baubehörde in letzter Zeit fast ausnahmslos. Ob Jungfernstieg oder HafenCity, Amtsstraße und Doberaner Weg am Rahlstedter Bahnhof, Moorstraße und Hannoversche Straße am Phoenix-Center, die Radwege taugen nichts.
Oft sollen Radler auf der falschen Seite fahren und werden dadurch einem höheren Unfallrisiko ausgesetzt, oder die Radwege sind so ungünstig angelegt, dass Fußgänger sie permanent mitbenutzen. Und in Hamburg entscheiden in letzter Zeit allzu oft Designer über die Farbwahl der Radwege, anstatt sie verkehrssicher zu gestalten.“ Die Diskussion um die Gestaltung der Radwege geht nun schon eine ganze Weile, doch getan hat sich bisher nichts. Das wird sich schlagartig ändern, wenn es den ersten tödlichen Unfall gegeben hat, dann ist aber eine Chance vertan rechtzeitig und mit eigentlich einfachen Mitteln die Situation zu entschärfen. Mit Markierungen auf dem Radweg und mit entsprechenden Hinweisen an den Signalanlagen würde die notwendige Aufmerksamkeit geschaffen und der Adrenalinspiegel der Verkehrsteilnehmer gesenkt. Damit sind die dringenden Aufgaben aber noch nicht zu Ende. Was nützt zum Beispiel ein breiter Radweg, wenn er so glanzlos im Nirwana der Oberbaumbrücke endet beziehungsweise beginnt? Auch hier wird schon länger eine Bereinigung der Verkehrssituation angemahnt. Auf der Oberbaumbrücke wird das eh schon enge Profil durch halbkugelförmige Poller zu einer echten Herausforderung für Fußgänger und Fahrradfahrer, die sich hier in beide Richtungen einen Weg von rund einem Meter Breite teilen müssen, erschwert durch teilweise hochstehende Metallplatten an den Brückenübergängen.
Hier muss also entweder ein definierter Fahrradstreifen auf der Fahrbahn her oder die Poller müssen runter von der Brücke, um zumindest etwas Platz zum Manövrieren zu schaffen, wie es – das muss auch mal lobend erwähnt werden – schon an den Niederbaumbrücken geschehen ist. Über die Qualität der Querverbindungen durch die Speicherstadt braucht man eigentlich gar nicht reden – zu schlecht beziehungsweise gar nicht erst vorhanden sind hier Radwege. Das Kopfsteinpflaster in der Speicherstadt steht unter Denkmalschutz – ist also sakrosankt, doch selbst die Kibbelstegbrücke ist bei nur ein wenig Feuchtigkeit nur mit Spikes ungefährdet zu befahren. Vielleicht sollte man in Hamburg statt autofreier Sonntage mal autofreie Behördenwochen einlegen. Wer weiß, wie plötzlich die Planer und Entscheider sich an die Gestaltung und Konzeption von sicheren Radwegen machen würden?