Auf Platz und Sieg
Johannes Kahrs (SPD) kandidiert erneut für den Deutschen Bundestag – seit 1998 vertritt er den Wahlkreis Hamburg-Mitte in Berlin
Er gilt als durchsetzungsfähig und fleißig. Politik scheint sein Lebenselixier zu sein. Verständlich und nachdrücklich erklärt er seinen Zuhörern unermüdlich, warum das Wahlprogramm der SPD soviel besser ist, als das der CDU-CSU und warum er keine Rot-Rot-Grün Koalition auf Bundesebene will. Er ist aber auch – selbst innerparteilich – nicht unumstritten: Johannes Kahrs, der SPD-Politiker aus Hamburg-Mitte kandidiert bereits zum sechsten Mal. Die letzten fünf Male gewann er seinen Sitz in Berlin als direkt gewählter Abgeordneter. Zuletzt mit 39,2 Prozent der abgegebenen Erststimmen.
Wenn auch keine Liebe, so hat sich Kahrs großen Respekt als Bundestagsabgeordneter erarbeitet. Unzählige Kulturprojekte konnten in Hamburg realisiert werden, durch Millionen an Sondermitteln, für die Kahrs sich gemeinsam mit dem Hamburger CDU-Abgeordneten Rüdiger Kruse einsetzte. Aktuell ist das Museumsschiff Peking wieder in Hamburg angekommen und wird als Wahrzeichen des neuen Deutschen Hafenmuseums hergerichtet, die Sanierung des Fernsehturms ist in greifbare Nähe gerückt und für die Erhaltung der Bahnhofshalle im Oberhafen warten Mittel des Bundes darauf, abgerufen zu werden. Für Kahrs zählen aber nicht nur die großen Projekte. Er unterstützte auch Projekte wie das Ledigenheim in der Neustadt, das Torhaus in Barmbek und weitere Projekte in Billstedt, Horn und Rothenburgsort, darunter die Sanierung von Sportplätzen und die Umwandlung von Grant- in Kunstrasenplätze.Die Zusammenarbeit mit den Akteuren in den Stadtteilen ist dem 53-jährigen Abgeordneten wichtig. „Als Politiker müssen wir an der Lebenswirklichkeit der Menschen arbeiten“, so der Sprecher des Seeheimer Kreises, ein Zusammenschluss von SPD-Abgeordneten, der als konservativer Flügel in der Partei bezeichnet wird. „Wir sind pragmatisch und undogmatisch“ so Johannes Kahrs und verweist darauf, dass im Seeheimer Kreis viele Abgeordnete sind, die z.B. als Landrat oder Bürgermeister bereits Verantwortung trugen. „Uns geht es so gut wie nie. An vielen geht der Erfolg aber vorbei!“, weiß er und setzt sich für mehr Gerechtigkeit ein.
Die Steuerentlastungen für kleinere und mittlere Einkommen bei gleichzeitiger Gegenfinanzierung, die Rückkehr zur Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der gesetzlichen Krankenversicherung und die Unterstützung von Alleinerziehenden durch das Rückkehrrecht auf Vollzeitstellen, belastet nach Kahrs Ansicht den Bundeshaushalt nicht. „Die Glaubwürdigkeit der CDU ist schon immer in Bezug auf Steuerreformen im Minus gewesen. Mit seinen Steuersenkungsankündigungen sagt Schäuble bewusst die Unwahrheit.“ glaubt Kahrs und ergänzt „…daran ist die FDP in der Koalition bereits gescheitert. Wie erklärt er es sich dann, dass die Umfragewerte derzeit die CDU bei 40% sehen? „Ich glaube, dass die Hoffnung der Wähler über deren Erfahrung siegt.“ Eine Hypothese, die den Wahlkämpfer nicht frustriert, sondern eher motiviert. Über 200 Hausbesuche im Jahr, zu denen er eingeladen wird und „den Kuchen mitbringt“, 80 Tagesfahrten nach Berlin, zu denen er Menschen aus seinem Wahlkreis einlädt, die monatlichen „Bundespolitischen Frühstücke“ und unzählige weitere Gespräche führt Kahrs jährlich mit potentiellen Wählern aber auch mit mehr oder weniger freundlichen Gegnern. Stets versucht Kahrs, Menschen von seiner politischen Arbeit zu überzeugen. „Es freut mich, dass wir bereits viele gefrustete Menschen, darunter AFD-Anhänger, wiedergewinnen konnten“ sagt er und unterstützt den Kanzlerkandidaten Martin Schulz in den Bemühungen, die Fehlentwicklungen der Agenda 2010, wie z.B. den Missbrauch der Leiharbeit und die Dauer des Arbeitslosengeldes, für langjährige Beitragszahler zu beheben. „Die CDU und die FDP werfen uns vor, dass wir ein Erfolgsmodell zurückdrehen wollen. Ich kann mich nur darüber wundern, dass die eine SPD-Reform, die 15 Jahre alt ist, so bejubeln. Wenn man will, dass alles so bleibt wie es ist, muss man jetzt Reformen einleiten. Es geht darum, das Gute zu bewahren und die Fehlentwicklungen zu berichtigen“, führt er aus und fordert mit der SPD eine Entlastung der Arbeitnehmer von Sozialversicherungsbeiträgen durch Freibeträge. Auf keinen Fall hält Kahrs, der von sich selbst sagt, dass er jemand mit Ecken und Kanten ist eine Rot-Rot-Grüne Koalition nach einem Sieg für realistisch. Die Linken im Westen sind seiner Ansicht nach nicht regierungsfähig.
Als Feindbild sähen diese immer nur die SPD. In dieser Frage weiß sich Kahrs in guter Gesellschaft, denn „das sehe nicht nur ich so, das erleben wir doch in der Praxis“. Die heiße Phase des Wahlkampfes kommt näher. Was aber ist von der Rede von Johannes Kahrs bei der Abstimmung zur „Ehe für alle“ im Bundestag zu halten? War das eine emotionale Betroffenheitsrede oder ein unangemessener Angriff auf die Bundeskanzlerin mit Wahlkampfeffekt? „Tatsächlich hatte ich eine sehr sachliche Rede vorbereitet. Aber meine echte Gefühlslage war eine andere. Seit 2005 setzte ich mich mit der CDU und Angela Merkel in dieser Frage auseinander. Die Kanzlerin kann aber nicht die Gesellschaft aktiv zusammenhalten. Im Gegenteil, sie spaltet. Es war mir ein Bedürfnis, ihr das vorzuhalten. Leider hat Schäuble nur blockiert. Auch bei der Transaktionssteuer auf Börsengeschäfte hätten wir unsere Position stärker in den Vordergrund stellen sollen.“ Ungewohnt nachdenkliche Töne von Johannes Kahrs, die als Vorbereitung auf mögliche kommende Koalitionen interpretiert werden könnten.