Ausflug an den Schuppen 74

Ein Ausflug auf ein niegelnagelneues Schiff ist immer etwasa Besonderes
Ein Ausflug auf ein niegelnagelneues Schiff ist immer etwasa Besonderes
Besichtigung Lone

Es zahlt sich auf verschiedenste Art und Weise aus in der HafenCity zu wohnen. Neben vielen offensichtlichen Vorteilen gibt es auch versteckte und nicht ganz so offensichtliche. In der HafenCity treffen so Schiffsbegeisterte auf Reedereien und Reeder, und manchmal können alle von dieser besonderen Umgebung profitieren. Ein beliebter Ausflug für alle maritimen Feinschmecker ist zum Beispiel die Fahrt zum Steinweg-Terminal um mal hinter die Kulissen des Schwer- und Stückgutgeschäftes zu blicken. Noch spannender aber ist der Blick in den Bauch eines Schiffes und ein besonders glücklicher Zufall, wenn dieses Schiff auch noch ein spannender Neubau ist.

Um so mehr, wenn man vom Reeder persönlich geführt wird
Um so mehr, wenn man vom Reeder persönlich geführt wird
HafenCity-Nachbar Lars Rolner kennt diese Leidenschaft vieler seiner Nachbarn und machte so etwas möglich, was in dieser Form nicht alltäglich ist. Der Reeder ermöglichte einen Besuch seines frisch aus der Sietas-Werft kommenden Neubaus der Baureihe 183. Lars Rolner ist Mitinhaber des Schifffahrtskontor Altes Land, kurz SAL, in Steinkirchen und SAL ist eine auf Schwergut spezialisierte Reederei, die transportiert, was andere nicht mehr bewegen können. Daher sind die Schiffe auch immer ein echter Leckerbissen für Technikfreak, und eine exklusive Führung vor der Taufe durch den Reeder selbst ein vorzeitiges Ostergeschenk. Schon die Anreise durch den dunklen Freihafen ist ein Abenteuer für sich. Vor der Taufe liegt die „Lone“ am Schuppen 74 im Kaiserhafen. Durch fahrende VAN-Carrier und Berge von Containern geht es direkt an die Kaikante, die „Lone“ ist in gleißendes Licht gehüllt. Die beiden jeweils 1000 Tonnen hebenden Riesenkräne und die am Bug liegende Brücke machen die charakteristische Silhouette der SAL-Schiffe aus.

 

Der Leitstand und Panikraum der Lone
Der Leitstand und Panikraum der Lone
Die Kräne sind ein wichtiges Utensil im Projektgeschäft erklärt Lars Rolner am Beginn der Tour. Häufig sind die Anlagen der Häfen nicht in der Lage mit derartigen Gewichten umzugehen, oder die SAL-Schiffe bringen erst die Kräne für neue Kaianlagen irgendwo in Übersee. Auch im Offshore-Geschäft sind die Kräne der „Lone“ unabdingbar. Die Teile für Windkraftanlagen oder Bohrplattformen haben meist riesige Ausmaße und entsprechende Gewichte. Mit dem neuen Schiff will SAL verstärkt auch das Geschäft mit den Windkraftanlagen abdecken erklärt Lars Rolner später, extra für diesen Einsatzzweck ist das allerneuste Kongsberg-Positioniersystem in das Schiff eingebaut worden, das es ermöglicht, ein Schiff auf offener See bis zu einigen Windstärken zentimetergenau an einem Ort zu halten. Dazu werden zusätzliche Positioniertriebwerke aus dem Rumpf gefahren, die es so möglich machen Teile von Offshore-Windturbinen genau am Meeresgrund zu verankern.

Der Neunzylinder MAN - das Herz des Schiffes
Der Neunzylinder MAN - das Herz des Schiffes
Später auf der Brücke wird der Unterschied zu normalen Frachtern deutlich: Elektronik und Bildschirme beherrschen das Bild, Sensoren zeigen alle Zustände des Schiffes an. Die Brücke erinnert mehr an die Brücke des Raumschiffes Enterprise als an Brücken der klassischen Seefahrt. Selbst an Kleinigkeiten wurde gedacht. Ein Ipod-Halter ist ebenfalls ins Cockpit integriert – so was hat die Enterprise nicht vorzuweisen, aber eben deutsche Wertarbeit. Und auf diese legen Rolner und SAL besonderen Wert. Rolner ist voll des Lobes über die Arbeit der Sietas-Werft und wird auch nicht müde auf dem Rundgang auf Details und Merkmale hinzuweisen, die es so nur auf SAL-Schiffen gibt. Im Maschinenraum erklärt er stolz den Neun-Zylinder—MAN-Diesel des Haupantriebes des Schiffes: Kein Lizenzbau, sondern ein Original aus Augsburg. Ähnliche und baugleiche Aggregate sind auch in den anderen SAL-Schiffen verbaut. Warum dieses Detail SAL so wichtig ist erklärt Rolner auch gleich an einem Beispiel. Durch die einheitlichen Ausstattungsmerkmalen ist es SAL möglich ein zentrales gut ausgestattetes Ersatzteillager zu führen, bei dem sichergestellt ist, das die Teile auch noch nach zehn Jahren passen. 

Interessierte aus der HafenCity besuchten alle Teile des Schiffes
Interessierte aus der HafenCity besuchten alle Teile des Schiffes
Als vor einiger Zeit ein SAL-Schiff mit Kurbelwellenbruch in einem Ostseehafen festlag konnte dank eigener Ersatzteile die Fahrt schon nach kurzer Zeit wieder aufgenommen werden. Die offizielle Lieferzeit des Lieferanten der Kurbelwelle hätte sechs Monate betragen. Der scheinbare Luxus eines hochwertig ausgestatteten Schiffes erweist sich dann als Wettbewerbsvorteil, Verträge können erfüllt werden, wo andere scheitern würden. Ähnliche Qualitätsansprüche unterliegen auch die Mannschaften der Schiffe. Alle Matrosen werden auf den philippinischen Seemannsschulen des Partners K-Line ausgebildet, die Offiziere und Kapitäne sind mit der Ausnahme von zwei Schiffen Deutsche. Dabei werden die philippinischen Mannschaften nach Tarif bezahlt, das komplexe Geschäft mit dem Schwergut erfordert hoch motiviertes Personal.

Lars Rolner auf der Brücke der Lone - es ist alles da inklusive Ipod-Halter
Lars Rolner auf der Brücke der Lone - es ist alles da inklusive Ipod-Halter
Auch die Ausstattung von Mannschaftsunterkünften und Einrichtungen spiegelt diesen Anspruch wider. Dem Besucher drängt sich unweigerlich der Eindruck auf: Hier wird Schifffahrt betrieben wie sie sein sollte. Trotzdem findet SAL keinen deutschen Nachwuchs bei den Mannschaften. Monatelang von zu Hause entfernt in fremden Ländern als einfacher Matrose unterwegs zu sein – kein Traumberuf für deutsche Jugendliche. Ein besonderes Kapitel ist die Piraterie in der modernen Schifffahrt und davon bleibt auch SAL nicht verschont. In allen Schiffsneubauten werden Antipiraterie-Einrichtung als integratives Baukonzept mit einbezogen. Eigentlich unglaublich, aber heutzutage unverzichtbar. Auf der „Lone“ gibt es selbstverständlich einen Panikraum, der als letzte Bastion Schutz für die Mannschaft bietet.

Gruppenbild mit Haken - er selbst wiegt 20 Tonnen und kann 1000 Tonnen heben
Gruppenbild mit Haken - er selbst wiegt 20 Tonnen und kann 1000 Tonnen heben
Von hier ist das Schiff noch komplett steuerbar, in Vorratsräumen sind Lebensmittel und Betten für die Mannschaft gelagert, unabhängige Systeme sorgen für störungsfreie Kommunikation im Ernstfall. Doch bevor es zum Rückzug kommt, hat die „Lone“ und auch die anderen Schiffe von SAL noch einiges zu bieten. „Der beste Schutz ist die Geschwindigkeit unserer Schiffe“ erklärt Rolner. Offiziell ist die Höchstgeschwindigkeit der „Lone“ mit 20 Knoten angegeben, bei einer Testfahrt im Zusammenspiel mit Nato-Streitkräften hat das Schwesterschiff aber auch schon mit einem 22 Knoten schnellen Marineschiff mitgehalten. In Krisengebieten schützt sich das SAL-Schiff zusätzlich mit einer außen liegenden Stacheldrahtumzäunung und einem Wasserwulst. Einige Abwehrmaßnahmen möchte Lars Rolner nicht veröffentlicht sehen, der Überraschungsfaktor ist Teil des Schutzes der Schiffe. Im Gespräch mit Rolner gewinnt man unwillkürlich den Eindruck das Krieg auf den Meeren herrscht, im indischen Ozean gibt es keine Sicherheit mehr. SAL investiert inzwischen jährlich 2,5 Millionen Euro jährlich in die Maßnahmen zur Abwehr der Piraten, zwei Angestellte werten kontinuierlich die Meldung rund um Piraterie weltweit aus. Und Meldung gibt es täglich, abseits der großen Raubzüge der Piraten vor Somalia passieren täglich Fälle von Piraterie auf den Weltmeeren. Ein wirklich spannender Rundgang auf einem extrem interessantem Schiff, ein großer Dank seitens der Besucher und der HafenCity-Zeitung an Lars Rolner für diesen Besuch.

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