Cruise Days: Lauschlounge
Hamburger Künstler in der Katharinenkirche
Vorweg: Alle Künstler waren klasse, und es war auch nicht DsdS, wo es einen Sieger und viele Verlierer gibt, gestern abend waren alle Gewinner. Der Sound war klasse, jeder Act hatte etwas besonderes zu bieten und die Zeit verging wie im Flug. Trotzdem gibt es natürlich das eine oder andere anzumerken.
Die Katharinenkirche war voll, randvoll. So viele Gäste hatte die Kirche möglicherweise nicht mal zu Weihnachten und das Programm hatte auch einiges zu bieten. Den Anfang machte Philsen mit melancholischem Deutschpop, der durch einen hervorragenden Bassisten aus dem Mittelmaß gehoben wurde. Überwiegend mit Piano und Bass gespielt erhielt der Bassist Freiräume, die den Auftritt musikalisch passend zu diesem Abend machten. Mit seinen Texten hatte Philsen Pech. Der, in der Qualität der Texte, starke Kontrast zur nachfolgenden Xochil A. Schütz machte es für Philsen schwieriger als für Timo Breker, der englisch singt und so den Vergleich zur exorbitanten Qualität der Texte von Xochil nicht antreten musste.
Diese war neben Regy Clasens Bruder Matthias der Joker des Abends. Ihre Texte – witzig, geschliffen und der letzte auch nicht ganz jugendfrei, bewiesen ihre Souveränität im Umgang mit der deutschen Sprache. Vorgetragen in einer Art Sprachgesang, untermalt mit unaufdringlicher Loungemusik, die zwar nur gelegentlich wirklich das Attribut Live tragen durfte, aber dafür auch nicht von der Sprache ablenkte. Hinterher konnte man als Kommentar im Publikum hören "Unhanseatisch und passt eher nach Berlin als nach Hamburg". Falsch!
In dasselbe souveräne Spiel mit Worten, diesmal nur gänzlich ohne Musik gehörte dann Regy Clasens Bruder Matthias, der neben seinem bekannteren Aspekt als Saxophonist, der für seine Schwester arbeitet, inzwischen auch unter dem Pseudonym Vincent Welt als Autor für Poetry-Slam am Start ist. Seine Geschichte vom Ableben seines langjährigen Weggefährten – seinem Auto – brachte aus dem Stand das Publikum auf seine Seite und zum Lachen, nicht zuletzt auch, weil seine, mit variabler Stimme erzählte Geschichte von überfahrenen Pandas und an der Windschutzscheibe verendeten Seeadlern handelte.
Und dann kam Jack Johnson – äh – Timo Breker. Markante Stimme, schwarzer Wuschelkopf und eingängige leichte Popsongs perfekt vorgetragen. Von ihm wird man noch hören, da führt kein Weg dran vorbei.
Genausowenig, wie in Hamburg kein Weg an Regy Clasen vorbeiführt, wenn man gute deutsche Popmusik mit professioneller Bühnenpräsenz und einer Stimme zum niederknien sehen und hören möchte. Ein wenig schade nur, dass keine neuen Stücke aus ihrer Feder zu hören waren, und daher wenig Überraschendes passierte, inklusive klassischem Finale mit Michy Reincke und ihrem Bruder als Backgroundsänger. Aber es ist zu verschmerzen, ist ihre Bühnenpräsenz doch einfach klasse und live vorgetragen in dieser Atmossphäre trotzdem einer der Höhepunkte.
Ein gelungener Abend, der einmal mehr die weltliche Verankerung der Katharinenkirche festigt und in der Pastor Frank Engelbrecht seiner Gemeinde neue Freunde beibringt.