DAS SENATSTREPPENHAUS
Keine Treppe für Jedermann
Nur geladene Gäste dürfen das Innere des Rathauses über diese Treppe betreten! Von der Rathausdiele aus, über eine weite, einladende Steintreppe, vorbei an zwei Löwen, die den Eingang bewachen, tritt man vor ein wunderbar filigran gearbeitetes, schmiedeeisernes Doppeltor. Bei Senatsempfängen passiert man hier zunächst die Einlasskontrolle und zeigt seine Einladungskarte des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vor. Ganz verschiedene Veranstaltungen finden statt: es gibt Einbürgerungsfeierlichkeiten für 700 Personen, Vereidigungen von Staatsbediensteten mit ebenso vielen Gästen, Stiftermahle, andere festliche Veranstaltungen und auch wichtige Besprechungstermine mit dem ersten Bürgermeister, die zum Beispiel im Bürgermeister-amtszimmer stattfinden. Und natürlich Staatsbesuche! Die regelmäßig stattfindenden Einbürgerungszeremonien verwandeln die Rathausdiele in ein fröhlich-buntes Gewirr festlich gekleideter Menschen aus aller Herren Länder, die voll freudiger Erwartung zur Veranstaltung eintreffen. Wird zur Vereidigung oder zur Auszeichnung von Ausbildungsabsolventen geladen, ist die Halle voller junger, aufgeregter Menschen, die im Sonntagsstaat auf das geöffnete Tor zustreben, um zum Senatsempfang zu gelangen. Aber auch kleinere Besuchergruppen, meist Damen und Herren in Business Anzügen, werden diskret ins obere Stockwerk geleitet. In jedem Fall verfehlt die würdevolle Umgebung die Wirkung auf den Besucher nicht. Für sie alle wird das schwere, prächtige Tor geöffnet und sie gehen über den roten Teppich nach oben. Sobald man durch das Tor kommt, lässt man die Unruhe des Kommens und Gehens der Diele hinter sich und taucht ganz in die Pracht des Treppenaufgangs ein. Kühles Weiß, helles Gelb und Gold sind die vorherrschenden Farben, der rote Teppich und die schmiedeeisernen Gitter betonen die kühle Atmosphäre eher noch. In der frühen Planungsphase sollten das Bürgerschaftstreppenhaus und das Senatstreppenaus ähnlich gestaltet werden. Letztendlich entschloss man sich später aber bewusst für eine unterschiedliche Gestaltung. Das Bürgerschaftstreppenhaus erinnert an die hanseatische Bürgertradition und ist wärmer in der Farbgebung. Im Senatstreppenhaus kommt römische Würde und kühle Distanz zum Besucher zum Tragen – dieses Treppenhaus ist einer Residenz oder eines Schlosses würdig!
Hat man das große Tor passiert, befindet man sich in der sogenannten „Stifterhalle“. Hier wird der Besucher an die vielen Stifter und Mäzene erinnert, die in Hamburg wohltätige Projekte fördern. Selbstverständlich werden die Namen hanseatisch zurückhaltend dargestellt: man muss die in Gold eingravierten Namen der Wohltäter suchen. In Augenhöhe an der rechten Marmorwand wird man fündig: „Stellvertretend für alle Stifter, die in unseren Tagen das Wohl der Freien und Hansestadt Hamburg fördern“ steht hier. Dann folgen einige Namen, die in Hamburg wohlbekannt sind, wie zum Beispiel Helmut und Hannelore Greve, Gertrud Reemtsma, Klara und Alfred Adickes, Ingeburg Herz, Gerd Bucerius, Edmund Siemers und einige mehr. Ihre Namen stehen stellvertretend für die lebendige Stifterlandschaft in der Hansestadt. Es gibt fast 1300 Stiftungen in Hamburg, viel Gutes wird hier getan, oft redet man nicht darüber – ist hanseatisch zurückhaltend. Dies hat in der Hansestadt lange Tradition, früher versprach man sich von Mildtätigkeit eine Verschonung vom Fegefeuer und ein besseres Leben im Jenseits. Mittlerweile fördern Unternehmen und Stiftungen regionale und kulturelle Projekte in Höhe von 25 Millionen Euro. Schickt man sich an, die Treppe nach oben zu schreiten, ist rechts noch eine goldene Inschrift in die Marmorwand graviert: „Anläßlich des von Kurt Körber,Unternehmer in Hamburg am 7. September 1984 in Anwesenheit des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker gestiftete „Förderpreis für die europäische Wissenschaft“ widmet der Senat diesen Raum dem Dank an alle Stifter, die in unseren Tagen die Entwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg durch ihren Beitrag entscheidend fördern.“ Der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft zeichnet jedes Jahr europäische Wissenschaftler für exzellente, zukunftsträchtige Forschungsarbeiten aus. Für diesen Preis kann man sich nicht bewerben, Spitzenwissenschaftler aus Europa suchen die Kandidaten aus. So erhielt am wieder 7. September 2012 der Physiker und Bioinformatiker Prof. Dr. rer. nat. Dr. Dr. h.c. Matthias Mann im Großen Festsaal diesen Preis für seine überragende Leistung. Er entwickelte ein hochpräzises, massenspektrometrisches Verfahren entwickelt, mit dem sämtliche Proteine einer Zelle auf einen Schlag analysiert werden können. Ja, auch die Wissenschaft und Forschung findet im Hamburger Rathaus eine Plattform. Nachdem der Besucher die Stifterhalle hinter sich gelassen hat, geht es über den roten Teppich weiter nach oben. Ein riesiges Milchglasfenster erhellt das großzügige Treppenhaus und bald erreicht man den sogenannten „Treppenspiegel“, die oberste Treppenstufe. Hier, und nicht etwa unten in der Diele, steht der Bürgermeister und begrüßt seine Gäste, zum Beispiel anlässlich des Matthiae Mahls. Eine ganz besondere Protokollvorschrift kommt hier zur Anwendung: Der erste Bürgermeister empfängt seine Gäste immer hier auf dem obersten Treppenabsatz! Er geht ihnen nicht entgegen. In frühen Zeiten hieß es: „Ein Hamburger Bürgermeister hilft niemandem aus dem Steigbügel!“ Auch wenn heute niemand mehr zu Pferd das Rathaus erreicht, ist der hanseatische Bürgerstolz ungebrochen und so gilt diese protokollarische Regel bis heute. Sie ist ein Ausdruck des immerwährenden Bürgerstolzes einer alten Stadtrepublik!