Der Fixstern
Chefkoch Thomas Martin aus Jacobs Restaurant über aktuelle Trends in der Spitzengastronomie
Auf dem HafenCity- und Stadtküsten-Gastronomie-Plan in unserer November-Ausgabe finden Sie zahlreiche Restaurants und Locations, die die kulinarische Vielfalt der Hansestadt widerspiegeln. Die Gastronomie-Szene erfindet sich dabei immer wieder neu, Trends bestimmen häufig den Geschmack. Wir wollten von einem Experten wissen, wo die moderne Chef-Küche heute steht, was immer noch gut ist und was sich verändert hat. Thomas Martin, seit fast 20 Jahren Chefkoch im traditionsreichen Louis C. Jacob und mit Zwei-Michelin-Sternen ausgezeichnet, gab der HafenCity Zeitung einen interessanten Einblick in die Kochtöpfe der gehobenen Küche.
Vor seiner Zeit an der Elbchaussee hat der 1966 in Mannheim geborene Martin verschiedene Stationen bei renommierten Köchen absolviert. Bei Lothar Eiermann lernte er, wie man ganze Fleischstücke und Fische zubereitet, bei Dieter Kaufmann standen die tollen Soßen im Vordergrund. Ins Schwärmen gerät Thomas Martin, wenn er vom „Chef“ Eckart Witzigmann spricht: „Er ist für mich eine Institution, die mich unter anderem lehrte, à la minute zu kochen.“
Es ist eher ungewöhnlich in der Gastronomie, dass die Liaison zwischen Restaurant und Chef so lange dauert wie im Falle Louis C. Jacob und Thomas Martin. Denn je länger man in einem Restaurant kocht, desto schwerer ist es sicherlich, sich immer wieder neu zu erfinden und den berühmten Blick über den Tellerrand nicht zu verlieren. „Das liegt sicherlich daran, dass das Jacob und sein Eigner Horst Rahe mir immer Raum zur Entwicklung gegeben haben“, sagt Thomas Martin. „Das mit dem Jacob und mir passt einfach – wir sind beide Klassiker, die schöne Dinge zu schätzen wissen, ohne jedem Trend hinterherzulaufen“, ergänzt der 49-Jährige. Dass Thomas Martin darüber hinaus seit fast 20 Jahren denselben geschäftsführenden Direktor, Jost Deitmar, an seiner Seite hat, ist dabei ebenso ungewöhnlich in der Gastronomie-Szene, aber sicherlich auch Teil des kontinuierlichen Erfolges des Restaurants. Jost Deitmar, einer der dienstältesten Direktoren der Luxushotellerie, wurde im Oktober als „Hotelier des Jahres“ ausgezeichnet.
Erst im Frühjahr dieses Jahres wurde das Konzept in Jacobs Sterne-Restaurant verändert, ohne seine Grundwerte zu verleugnen. „Ich bin wieder sehr viel klarer in meinen Gerichten und ihren Präsentationen auf dem Teller geworden“, so Martin. Er sieht seine Küche nicht als abstrakte Kunst oder Wissenschaft, sondern beruft sich auf die Ursprünglichkeit der Produkte. „Meine Gerichte sind unverfälscht, selbsterklärend und mit absolutem Fokus auf den Geschmack. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche mit der Vision, die Küche im besten Sinne zu vereinfachen: Im neuen Jacobs Restaurant erlebt der Gast Einfachheit auf höchstem Niveau“, so Martin.
Doch welche Rolle spielen Trends, wenn sich ein Klassiker wie Thomas Martin an ein neues Konzept heranwagt? „Trends entwickeln sich heute schneller, da vieles online diskutiert und bewertet wird. Auch ich beobachte aufmerksam die Szene, gehe gerne essen, schaue mir auf Reisen neue oder andere Restaurantkonzepte an. Darüber hinaus tragen die jungen Köche in meinem Team kreative Ansätze und frische Ideen an mich heran“, ergänzt er. Ganz essentiell ist bei allen aktuellen Entwicklungen für Thomas Martin aber, dass man seiner Handschrift treu bleibt. „Gerne kann man Tendenzen aufgreifen oder mal was ausprobieren, aber Qualität und handwerkliches Können bleiben sehr wichtige Konstanten. Dinge, die so richtig gut sind – warum sollte man die ändern?“
Auch mit dem Kochnachwuchs hat Thomas Martin seine Erfahrungen gemacht. „Um ein richtig guter Koch zu werden, muss man nicht nur das Handwerk erlernen, sondern auch Kreativität, Intelligenz und Disziplin beherrschen. Bei den Arbeitsverhältnissen hat sich in der Branche aber vieles sehr positiv entwickelt. „Es wird teamorientiert gedacht, die Hierarchieebenen sind flacher geworden. Wo Küchenchefs früher laut geworden sind, sind heute konstruktive Kritik und Einfühlungsvermögen gefragt.
Und wie haben sich die Essgewohnheiten der Gäste geändert? „Der heutige Verbraucher ist viel aufgeklärter und bewusster als noch vor 20 Jahren“, so Thomas Martin. „Er hinterfragt genau, was auf dem Teller ist und einer der ungebrochenen Trends ist da sicherlich die Regionalität. In den 1980er und 1990er Jahren bezogen alle Spitzenköche ihre Ware von RUNGIS Express, vorwiegend aus Frankreich. Wer heute gut kocht, muss regional einkaufen. Ich habe meinen Gemüsegarten ja quasi vor der Tür auf der anderen Elbseite. Ich beziehe mein Obst und Gemüse aus dem Alten Land; das Fleisch aus Schleswig-Holstein und die Fische aus nordischen Gewässern.“ Thomas Martin beschreibt sich hier aber nicht als dogmatisch: „Wenn wir französische Taube auf die Karte setzen möchten, so ist das auch kein Problem.“ Eine Veränderung fällt Thomas Martin noch zum Schluss ein: „Vor 20 Jahren musste ich maximal einmal pro Woche eine Gemüseplatte für Vegetarier zaubern, heute ist der Gemüsekoch der wichtigste Koch in meinem Team“, betont er.
Wir wünschen einen guten Appetit, wo auch immer Sie einkehren! TEN