Der Italientraum
Buchtipp: „Mein Sardinien“ von Hans-Ulrich Treichel
Ein Berliner Germanistikstudent und Sardinienliebhaber verliebt sich in einer italienischen Bar in die schöne Sardin Cristina. Zu seiner eigenen Überraschung werden die beiden wenige Wochen später ein Paar. Als Cristinas Bruder sie bittet, ihn in Sant’Antioco in seiner Gartenbaufirma zu unterstützen, macht sich das Paar auf den Weg in „das Land, in dem die Zitronen blühen“.
Es dauert nicht lange, bis der Italienfan, der sein Wissen über Italien zum großen Teil aus der Weltliteratur bezogen hat, sich auf dem Boden der Realität wiederfindet:
Statt in einem dunkelblauen Alfa Romeo findet er sich auf der Ladefläche von Enricos Transporter wieder: „Meine Aufgabe als Festhalter des Holzgitters bewältigte ich ohne Probleme und kam mir sogar ein wenig abenteuerlich vor, wie ich so auf der Ladefläche des Transporters über die Insel fuhr. Hinter mir eine Staubwolke, vor mir die untergehende Sonne, in den Händen das hoch aufragende und schwankende Blumengitter, das ich wie ein Segel […] navigierte.
Doch „[…] zwei Wochen auf der Insel hatten in Wahrheit vollkommen ausgereicht, meine so sorgsam kultivierte Sardiniensehnsucht zu zermürben […].“
Nach einer kurzen Rückkehr nach Berlin machen sie sich erneut auf den Weg nach Sant’Antioco – statt in der erhofften gemeinsamen Wohnung findet sich der Doktorand allein in einem Ladengeschäft am Ende der Dorfstraße wieder, das sein neues Domizil werden soll.
Wird er hier mit Cristina glücklich werden?
„Mein Sardinien“ beginnt nicht nur inhaltlich mit Wagners Tristanakkord, Treichel stellt dem ersten Akt – dem Kennenlernen mit Cristina – eine Ouvertüre Wagner’schen Ausmaßes voran. Auch wenn das Buch den Untertitel „Eine Liebesgeschichte“ hat, geht diese etwas in den gewaltigen Zitaten anderer (Italien-)Schriftsteller unter. Johann Wolfgang von Goethe, Ernst Jünger, D. H. Lawrence und Wolfgang Koeppen sind nur einige Literaten, die den Leser permanent durch das Buch begleiten.
Neben diesen teils etwas langatmigen literarischen Verweisen schreibt Treichel durchaus sehr humorvoll, vor allem wenn es dem Italienfan darum geht, sich selbst davon zu überzeugen, dass Sardinien doch nicht so öde ist, wie er es nun vor sich sieht: „[…] Ich musste mir gut zureden. […] Ich hatte den Hafen von Cagliari gesehen, eine Bushaltestelle in Carbonia, irgendwelche Salzseen und Sumpfgebiete zwischen Cagliari und Sant’Antioco. […] Das also war mein Sardinien. Ein winziger Ausschnitt. Wer Berlin kennen will, der darf sich ja auch nicht mit Reinickendorf begnügen. Mit anderen Worten: Ich hatte Sardinien noch vor mir. […]“
Eine Ode an Italien ist das nicht – auch keine emotionale Liebesgeschichte. Eine Ehrerbietung an einige große Literaten ist es aber allemal. (AF)
„Mein Sardinien“ ist am 14. August 2012 im mareverlag erschienen.
ISBN 978-3-86648-138-1
18 Euro, gebundene Ausgabe