Der Speck muß weg!

Tunrschuhe vor dem Einsatz
Tunrschuhe vor dem Einsatz
Ein Selbstversuch.

Tag 1
Ich habe jetzt eine Waage. Die Waage habe ich mir nach dem 5-Gänge-Silvestermenü inklusive viel Vino Tinto und dem mathematisch-physikalischen Vorsatz „viel Sport + gesunde Ernährung = bessere Figur“ zugelegt.
Die Waage, nach längerem hin und her und die Gebrauchsanweisung ignorierend, nun mit meinen Daten gefüttert und böse BMI’s ausspuckend, steht im Bad.

Tag 4
Jeden Morgen hole ich die Waage aus ihrer Ecke hervor, stupse sie an, damit sie ein Lebenszeichen von sich gibt,  atme aus und stelle mich drauf. Dieses Unterfangen trägt nicht zur Aufbesserung meiner Stimmung um 7.00h morgens bei.

Die Waage hät auch nicht das was sie verspricht
Die Waage hät auch nicht das was sie verspricht
Diäten kann jeder. Ich beschließe, mittags nur noch Obst zu essen. Mit Naturjoghurt,  fettarm. Heute gibt es Erdbeeren und eine Banane.

Nach der Arbeit trabe ich zum Sport in den Fitnessraum von Gruner &  Jahr. Seit neuestem steht dort ein mir unbekanntes Gerät: eine Powerplate. Das Schild, das ausdrücklich die Nutzung nur nach Einweisung durch den Personal Trainer erlaubt, ignoriere ich. Leider finde ich allein nicht den Knopf zum Anschalten. Also muß ich doch einen Termin abmachen, um mich professionell einweisen zu lassen.  
 

Ein Apfel muss reichen
Ein Apfel muss reichen
Tag 6
Ich habe festgestellt, dass sich das Gewicht nach Stand der Waage verändert. Stelle ich sie vor die Badewanne,  ist mein Gewicht hoch. Rücke ich sie weiter nach links Richtung Waschbecken, zeigt sie 200 Gramm weniger an. Dort, in der Mitte zwischen drei Fliesen links vom Schrank  sind es noch mal minus 300 Gramm. Ich markiere die Stelle. Den Test auf dem mit Parkett ausgelegten Flur muß ich abbrechen – ich erinnere mich, im Evakostüm auf der Waage stehend, daran, dass meine Wohnung inklusive Flur recht einsehbar ist und trete den Rückzug ins Bad an.

Meine  Kollegen in der Küche gucken mich zweifelnd an, während ich heute meine Ananas zerlege und Orangen filetiere. In Döner beißend und in Asia-Imbiß-Verpackungen stochernd, vernehme ich erstaunt die Frage, ob das denn gesund sei? Allgemeinhin scheint der Mensch von heute es gesünder zu finden, jeden Mittag Macs zu essen als frisches Obst zu sich zu nehmen.  

Termin mit dem Personal Trainer: ich lasse mir die Powerplate erklären. Im Prinzip ganz einfach – Gerät einschalten (unten am Fuß ist der Einschaltknopf), blau blinkende Knöpfe drücken, die Powerplate fängt an zu rütteln und klingt dabei wie ein Presslufthammer; man stellt sich drauf, rüttelt mit und ändert alle 30 Sekunden die Position. Die anderen Sportis im Raum grinsen aber ich beschließe, die Powerplate als Wunderwaffe gegen die Werte auf der Waage zu sehen.

Es ist kalt. Auf dem Weg nach Hause überholt mich eine 20-köpfige durchtrainierte Military-Truppe, die auf dem Vasco-da-Gama-Platz stoppt und schrecklich anstrengend  aussehende Übungen macht.
Ich fange an mein Abendessen vorzubereiten; als ich eine halbe Stunde später zufällig aus dem Fenster schaue, ist der Sporttrupp immer noch auf dem Vasco-da-Gama-Platz und macht Liegestütze. Ich seufze.

Tag 9
Heute Mittag Äpfel und Birne mit Joghurt. Mittlerweile haben sich die Kollegen an mich und meine „ungesunde“ Ernährung gewöhnt.

Abends geht’s wieder zu meiner Powerplate, dem weiblichen  Pendant zum Presslufthammer. Der gutaussehende Sporti stolpert fast über mich, als ich ausgestreckt auf der Stepbank liege und meine Waden von der Powerplate massieren lasse und kann sich das Lachen kaum verkneifen.
Ich ignoriere das.

Tag 11
Die Waage muß kaputt sein. Sie zeigt nach wie vor keine besseren Werte an. Da kann ich sie durchs Bad rücken, wie ich will.

Mittags beschließe ich, mit meinen Kollegen Pommes & Burger essen zu gehen. Dazu gibt es Cola.  

Den Sport lasse  ich ausfallen.

Tag 12
Ich stelle mich auf die Waage. Sie zeigt weniger an als gestern, trotz der Pommes und des Burgers. Verstehen tu ich das nicht, aber ich werde heute Mittag  von Ananas und Melone auf Giros mit Krautsalat umsteigen.

Beim regelmäßigen Pilates-Termin mit meiner Nachbarin wird hauptsächlich gequatscht. Und es gibt etwas zu feiern – wir trinken Sekt und knabbern Salzstangen. Das Leben kann so schön sein.   

Tag 18
Beim Putzen im Bad stelle ich fest,  dass die Waage eingestaubt ist. Ein Fall für den Keller.
Wenn ich mich – bei indirekter Beleuchtung – vor den Schrankspiegel stelle, sehe ich auch irgendwie ganz ok aus. Außerdem bin ich keine zwanzig mehr. Ich erinnere mich an meinen zweiten Silvestervorsatz: Übe Dich in Gelassenheit.
Ich deponiere die Sporttasche auf dem Kleiderschrank und verabrede mich zu Kaffee und Kuchen.