Der Steuermann
Die HafenCity Zeitung im Gespräch mit Hamburgs Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher über das Interesse am eigenen Stadtteil, über urbane Verdichtung und über Pläne für die Zukunftsmetropole Hamburg.
HCZ: Herr Bürgermeister, Sie sind in Bremen geboren. Seit wann leben Sie in Hamburg?
Gleich nach der Schulzeit und dem Zivildienst bin ich zum Studieren nach Hamburg gezogen.
Aus welchem Grund haben Sie sich für ein Medizinstudium entschieden?
Weil ich während des Zivildienstes beim Krankentransport und Rettungsdienst auf unterschiedliche Weise mit dem Gesundheitswesen in Kontakt gekommen bin. Da wird man in Krankenhäuser, Pflegeheime, Arztpraxen und zu Unfällen gerufen und hat viel mit Patienten zu tun. Die Welt der Medizin schien mir interessant und vielfältig.
Sie waren auch in der Lehre tätig?
Ja, weil ich nach dem Studium an der Universitätsklinik geblieben bin. Dort geht es um Lehre, Forschung und Krankenversorgung. Nach Promotion, Facharztausbildung und Habilitation war ich dann als Oberarzt und Privatdozent tätig, bis ich in den Senat gewechselt bin. Ich fühle mich meinem Beruf immer noch verbunden und halte mich fachlich einigermaßen auf dem Laufenden.
Was gefällt Ihnen an Hamburg besonders?
Ich war schon als Kind oft in Hamburg. Die Größe und Vielfalt der Stadt haben mich schon damals begeistert. Hamburg ist international und hat viele attraktive Orte und Quartiere. Wenn ich auf Reisen bin, vermisse ich sehr bald die hanseatische Atmosphäre einer Stadt am Wasser und freue mich, nach Hause zu kommen.
Sie waren schon in jungen Jahren politisch interessiert. Gab es einen besonderen Anlass für Ihren Einstieg in die Hamburger Bezirkspolitik?
Ich bin als Student Mitglied der SPD geworden und in meinem Ortsverein wurde ein Kandidat für die Bezirksversammlung gesucht. Das fand ich interessant. Hamburger identifizieren sich ja stark mit ihrem Stadtteil. Die praktischen Fragen des Großstadtlebens werden in Hamburg auf der Bezirksebene beraten und entschieden. Die Bezirksämter haben vielfältige Aufgaben und werden von den Bezirksversammlungen politisch begleitet. Die Bezirksabgeordneten können dabei in wichtigen Themen mitwirken. Sie entscheiden über Bebauungspläne, kleinräumige Verkehrsfragen oder die Verwendung von Mitteln in der Jugendhilfe. Das habe ich viele Jahre in meinem Bezirk Hamburg-Nord gemacht, zuletzt als Vorsitzender der SPD-Fraktion.
Und dann wurden Sie gefragt, ob sie Finanzsenator werden wollen…
Nein, zunächst wurde ich 2008 in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Bis 2011 war ich dann Abgeordneter, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und haushaltspolitischer Sprecher meine Fraktion. Nach dem SPD-Wahlsieg Anfang 2011 wurde ich dann von Olaf Scholz als Finanzsenator in den Senat berufen.
Konnten Sie so Ihrer Leidenschaft für Zahlen nachkommen?
Ja. Ich kann gut mit Zahlen und Daten umgehen und analysiere gerne Sachverhalte. In der Finanzpolitik geht es aber nicht um Formeln oder Mathematik. Es ist ein politischer Querschnittsbereich. Das Handeln des Staates hat in allen Bereichen mit wirtschaftlichen Fragen und dem Einsatz von finanziellen Mitteln zu tun. Als Finanzsenator entscheidet man deshalb in allen Politikfeldern mit. Das ist eine einflussreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit, die immer darin besteht, Kosten und Nutzen abzuwägen und Prioritäten zu setzen. Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben und muss als Finanzsenator in Zeiten der Haushaltskonsolidierung auch viele Wünsche ablehnen.
Sie sagten bei der letzten Haushaltsdebatte „Wir stehen vor unwägbaren Zeiten. Die wirtschaftlichen Aussichten sind unsicher“…
Sie sind nicht schlecht, aber wir können uns nicht drauf verlassen, dass es wirtschaftlich jedes Jahr besser wird.
Trotzdem sprechen Sie sehr zuversichtlich von der Zukunftsmetropole Hamburg. Woher nehmen Sie diesen Optimismus?
Ja, denn wir haben in den letzten acht Jahren viel erreicht. Vor 2011 wurden jedes Jahr neue Schulden gemacht. 2009 und 2010 sogar jeweils fast eine Milliarde Euro. Andere Länder und Städte sind aus der Schuldenspirale nicht mehr herausgekommen und wurden handlungsunfähig. Wir haben uns durch ein kluges Finanzkonzept vom dünnen Eis ans Ufer bewegt und haben den Haushalt in Ordnung gebracht. 2017 haben wir fast eine Milliarde Überschuss im Gesamthaushalt erreicht.
Die Finanzkrise und die damit verbundenen niedrigen Zinsen haben erheblich dazu beigetragen…
Die weltweite Finanzkrise war nur ein Teil des Problems. Wir mussten die Hamburger Finanzplanung gründlich überarbeiten und uns zunächst auf die wichtigsten Projekte konzentrieren. Es waren anstrengende Jahre, aber wir haben auch die richtigen Impulse gesetzt. Durch unser langfristiges Konsolidierungskonzept sind wir im Laufe der Jahre mit dem Haushaltsergebnis von einem Schlusslicht in Deutschland auf den ersten Platz aller 16 Bundesländer gekommen. Das gibt uns nun völlig neue Investitions- und Gestaltungsmöglichkeiten. Wir können Themen voranbringen, die die Stadt attraktiver machen. Den Neubau von Schulen, Kitas und Sportanlagen, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und vieles mehr.
Durch solche Anreize machen Sie Hamburg noch attraktiver, mehr Menschen werden zuziehen. Erzeugen sie dadurch nicht weiteren Handlungsdruck? Wie wollen Sie den steigenden Bedarf nach Wohnraum und den zunehmenden Verkehr bewältigen?
Durch ausreichenden Wohnungsbau, den Bau von U- und S-Bahnen und die Förderung des Radverkehrs. Im Wohnungsbau haben wir einige Versäumnisse aus früheren Jahren nachzuholen. Durch ein zu geringes Angebot an Wohnraum steigen die Mieten. Das führt dazu, dass Personen mit geringem Einkommen an den Rand oder aus der Stadt heraus gedrängt werden. Das müssen wir durch ausreichenden Wohnungsbau, vor allem auch durch den Bau von Wohnungen mit günstigen Mieten verhindern.
Die Flächen der Stadt sind aber endlich…
Kein Trend hält ewig an. Wir hatten schon Zeiten, da sind die Menschen aus den Städten aufs Land gezogen. Auch Hamburg hat in früheren Jahren Einwohner verloren. Dem aktuellen Trend der Urbanisierung müssen und wollen wir aber nachkommen. Die urbane Verdichtung ist nicht nur für viele Menschen attraktiv, sondern auch ökologisch vernünftig. Die Wege sind kürzer, es wird weniger Fläche versiegelt, die Infrastruktur effizienter genutzt. Mit E-Mobilität, intelligenten Verkehrskonzepten und einem modernen Schnellbahnsystem lässt sich die Mobilität gut organisieren. Selbst ein Zuwachs um 180.000 Einwohner wäre ein Wachstum um 10 Prozent. Es geht also um ein mäßiges Wachstum, das wir allerdings benötigen, damit niemand aus der Stadt gedrängt wird. Wir können es so gestalten, dass Hamburg seine Struktur und seinen Charakter als grüne Stadt am Wasser behält. Im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin oder Wien haben wir dafür beste Voraussetzungen. Hamburg ist fast so groß wie Berlin, hat aber nur halb so viele Einwohner. Ein gute Beispiel ist der A7-Deckel…
Dessen Realisierung aber auch ewig dauert…
Solche Projekte darf man nicht unterschätzen. Wir bauen die Autobahn A7 aus, zugleich wird es aber mit dem Autobahndeckel für die Anwohner zum ersten Mal ruhig in ihrem Garten. Stadtteile wachsen zusammen, die seit Jahrzehnten durch die Autobahntrasse getrennt waren. Zugleich erhalten wir neue Flächen für Kleingärten, Grünanlagen und Wohnungsbau. Die Stadt wächst also und wird zugleich attraktiver. Das können wir an vielen Stellen durch die richtigen Investitionen erreichen, indem wir zum Beispiel die bereits erschlossenen Gebiete an den sogenannten Magistralen besser nutzen.
Ist die Bebauung der Magistralen nicht eine Idee der CDU?
Wer auch immer diese Idee zuerst hatte, wir setzen sie um. Nehmen wir mal die Innenverdichtung in Barmbek, wo ich wohne. Dort ist viel gebaut worden. Es wurden Baulücken geschlossen, nicht mehr benötigte Krankenhausflächen genutzt und am Bahnhof entstanden moderne höhere Neubauten. Barmbek hat damit viele neue Wohnungen und Gewerbeflächen erhalten, ist aber damit nicht unattraktiver geworden.
Worauf führen Sie zurück, dass viele Hamburger einen anderen Eindruck haben?
Wir müssen den Verkehr noch besser organisieren. Wir wollen alle sicher, pünktlich und komfortabel ans Ziel kommen. Die leistungsfähigsten Verkehrsträger in einer großen Metropole wir Hamburg sind die schienengebunden Schnellbahnsysteme, also unsere U- und S-Bahnen. Deshalb bauen wir neue U- und S-Bahn-Stationen und eine völlig neue U 5. Damit erhalten 150.000 Menschen direkten Zugang zum Schnellbahnsystem.
Das sind sehr hohe Investitionen…
Ja, aber wir können solche Projekte stemmen, weil wir wirtschaftlich und finanziell stark sind. Alle, die aus dem Auto auf die Bahn umsteigen, machen oberirdischen Straßenraum frei für alle anderen: Fußgänger, Radfahrer und diejenigen, die noch Auto fahren wollen oder müssen.
Herr Bürgermeister, wann waren Sie das letzte Mal außerhalb von offiziellen Terminen in der HafenCity?
Ich bin tatsächlich häufig zu offiziellen Anlässen in der HafenCity. Im Sommer bin ich zuletzt privat von der Elbphilharmonie aus durch die HafenCity spaziert. Mir erscheint der Stadtteil keineswegs anonym, sondern belebt und vielfältig. Es gibt viele Touristen und Besucher, aber auch schon viele Anwohner, die sich mit ihrem neuen Wohnumfeld identifizieren. Ich bin sicher, dass sich die HafenCity als ein moderner und zum Wohnen und Arbeiten hoch attraktiver Stadtteil gut weiter entwickeln wird.
Herr Bürgermeister, wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Gespräch führte Conceicao Feist