Die fehlende Mitte der Stadtküste

Dirk Hünerbein

Am 1. Juli 2018 hat Dirk Hünerbein die Position des Head of Development bei Unibail-Rodamco Germany, heute Unibail-Rodamco-Westfield, übernommen.  Er verantwortet sämtliche Projektentwicklungen im Bestandsportfolio in Deutschland sowie die Entwicklung neuer Projekte.

Herr Hünerbein, erklären Sie uns noch einmal kurz: Was ist im südlichen Überseequartier geplant?

Das südliche Überseequartier gilt als zentraler Baustein für die langfristige Entwicklung der HafenCity zu einem lebendigen und modernen Stadtteil mit internationalem Flair. Unter dem Begriff „Mixed-use Development“ entwickelt Unibail-Rodamco-Westfield im südlichen Überseequartier insgesamt 419.000 Quadratmeter verteilt auf 14 architektonisch herausragende Gebäude. Wir sprechen von einem Investitionsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro, von einer attraktiven Destination, die mit seinen Gastronomie-, Freizeit- sowie Einzelhandelsangeboten sowohl die HafenCity, Hamburg als auch das Umland bereichern wird.

Was meinen Sie mit „Mixed-use Development“?

Unter „Mixed-use Development“ verstehen wir, dass alle Funktionen eines urbanen Stadtteils eng aufeinander abgestimmt sind. Dazu verbinden wir unterschiedlichste Nutzungen in einem wohlbalancierten Mix. Es entstehen 650 Wohnungen, Büros für rund 4.200 Arbeitsplätze, drei Hotels, unterschiedliche Kultur- und Unterhaltungsangebote, Geschäfte, über 40 Gastronomieeinheiten und ein hochmodernes Kreuzfahrtterminal. Dieser Mix macht das südliche Überseequartier zu einem urbanen Treffpunkt, welcher die gesamte HafenCity nachhaltig beleben und eine Strahlkraft entwickeln wird, die auch nationale und internationale Touristen anziehen wird.

Sie vermeiden den Begriff „Einkaufszentrum“– ist Einzelhandel nicht der überwiegende Schwerpunkt?

Der Einzelhandel belegt nur rund 30 Prozent der Fläche des gesamten Projekts. Die nachhaltige Entwicklung des Quartiers durch moderne Wohnungen, zeitgemäße Büroflächen, abwechslungsreiche Gastronomie, Unterhaltungskonzepte mit zukunftsweisenden Technologien oder umfangreiche digitale Vernetzung lässt einen pulsierenden, lebendigen Erlebnisraum entstehen. Der Einzelhandel wird als Teil des Gesamtkonzeptes gesehen und einen dynamischen Mix mit internationalen Modelabeln und lokalen Händlern beinhalten. Der Zugang von Unibail-Rodamco-Westfield zu international renommierten Marken und Konzepten wird dem südlichen Überseequartier zugutekommen und das Shopping-Angebot in Hamburg ergänzen und erweitern.

Kürzlich haben Sie eine Kooperation im Bereich Wohnen mit dem Hamburger Entwickler und HafenCity-Kenner DC Developments abgeschlossen. Was steckt dahinter?

DC Developments übernimmt die Entwicklung, Umsetzung und Vermarktung der Wohnbereiche in den sogenannten Gebäuden A und E3 an der San-Francisco-Straße. Unibail-Rodamco-Westfield wird zuvor jeweils die Einzelhandelsbereiche in den unteren Geschossen realisieren. Wir entwickeln das südliche Überseequartier als offenen urbanen Raum, der sehr viele verschiedene Nutzungen wohlbalanciert und auf höchstem Niveau miteinander verknüpft. Das Wohnen ist dabei natürlich eine elementar wichtige Komponente. Für dieses sehr lokale Thema haben wir uns einen kompetenten Partner mit viel Erfahrung in Hamburg an Bord geholt. Die strategische Partnerschaft betrifft ca. 400 der insgesamt geplanten 650 Wohnungen. Auch im Bereich Wohnen möchten wir die besten und attraktivsten Konzepte für Hamburg kreieren, da stimmen DC und wir zu 100 Prozent überein.

Wie sieht der aktuelle Baufortschritt bei der gesamten Entwicklung aus?

Das Projekt befindet sich im von uns anvisierten zeitlichen Rahmen. Der erste Kran wurde Ende Januar aufgebaut und es werden noch 23 weitere folgen. Nach der Installation einer eigenen Betonmischanlage ist der Start des Hochbaus für die nächsten Monate vorgesehen. Im Mai ist die feierliche Grundsteinlegung.

Warum wird es eine eigene Betonmischanlage geben?

Durch eine eigene Betonmischanlage muss der Flüssigbeton nicht extra angeliefert werden. Dies schont die Zufahrtswege zur Baustelle und die Verkehrs- und Lärmbelästigung für die Anwohner wird so niedrig wie möglich gehalten. Wir versuchen zudem weiterhin und soweit möglich einen größeren Teil der Baumaterialien über den Wasserweg zu transportieren.

Das bietet sich bei der Wasserlage an. Was planen Sie ansonsten für Besonderheiten oder Innovationen?

 Im südlichen Überseequartier planen wir eine Reihe von innovativen Konzepten. Hauptsächlich geht es um die Themen Mobilität, Verkehr, Virtual und Augmented Reality, Start-up-Kooperationen und digitale Vernetzung. Wir haben im Projektteam bewusst die Stelle eines Innovation Managers geschaffen, der sich umfänglich mit diesen Themen beschäftigt. Intelligente Gebäudetechnik, smarte Logistik- und Verkehrsleitsysteme oder maßgeschneiderte Lösungen für Einzelhandels- und Gastronomiekonzepte – alle zentralen Dimensionen eines digitalen Stadtteils werden von Beginn der Planungen an diskutiert. Dazu gehört für uns ebenso die Zusammenarbeit mit lokalen Start-ups wie eine umfassende Integration der Geschäftsaktivitäten in die Gemeinschaft in Hamburg. Mit dem Anspruch und der sozialen Verantwortung ein zukunftsweisendes Projekt für Hamburg und alle Einwohner zu entwickeln, hat sich Unibail-Rodamco-Westfield zum Ziel gesetzt, „Better Places“ – bessere Orte – zu schaffen.

Sie nennen den Punkt Verantwortungsübernahme? Auch in puncto soziales Engagement? Wie sind dort Ihre Pläne?

In unserer gruppenweiten Strategie für unternehmerische Verantwortung „Better Places 2030“ haben wir uns das ambitionierte Ziel gesetzt, den Herausforderungen der Gewerbeimmobilienindustrie entgegenzutreten. Wir setzen uns für emissionsarmes Wirtschaften ein, fördern frühzeitig neue Arten nachhaltiger Mobilität, integrieren unsere Geschäftsaktivitäten in die örtlichen Gemeinschaften und binden dabei unser gesamtes Team und alle Stakeholder ein.

Für das südliche Überseequartier heißt das konkret, dass wir Verantwortung für das lokale Umfeld übernehmen. Dazu gehören kulturelle Kooperationen, wie das Sponsoring des deutsch-französischen Kulturfestivals arabesques, das Anfang 2019 stattfand, genauso wie Kooperationen mit Hamburger Institutionen und Vereinen, die in die Planung des Quartiers mit einbezogen werden. Unser Ziel ist es, einen Ort für Hamburger zu schaffen und die Nachbarn in den Entstehungsprozess mit einzubinden. Wir planen Baustellenbegehungen und suchen immer den direkten Dialog, um die Sorgen und Anregungen der Bürger aufzunehmen.

Sie erwähnen die Nachbarn. Für wen ist das Quartier gedacht?

Mit dem ganzheitlichen Mixed-use-Ansatz schaffen wir ein urbanes Quartier, das ein Gewinn für alle Anwohner, für Besucher von nah und fern und letztlich für die gesamte Stadt Hamburg werden wird. Wir denken natürlich besonders an die Menschen im Stadtteil selbst, solche die dort arbeiten oder leben – und das werden mit der östlichen Erweiterung der HafenCity immer mehr. Das südliche Überseequartier ist der fehlende Baustein, der der HafenCity ein urbanes Lebensgefühl verleiht und mit dem sich die Anwohner identifizieren können. Dort wird das pulsierende Leben des modernen Hamburgs widergespiegelt – ohne dass der Charakter der traditionsreichen Stadt verloren geht.

 

Foto: (Credit: URW)