Die große Verschwendung
Liegt die maritime Oper an der Weser oder an der Elbe?
Wie zufällig können Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sein, wenn Wolfgang Schömel den Bau einer maritimen Oper in Bremen als Szenario für seinen neuen Roman nutzt? Die Hauptperson der Geschichte – oder soll man besser sagen, der tragische Held – ist Dr. Georg Glabrecht, ein 50-jähriger Bremer Wirtschaftssenator, der von seiner Partei Die Grünen – vielleicht mangels personeller Alternativen – aufgestellt wurde. Sein Job fällt ihm nicht leicht, seine Ehe zerfällt, und er verliebt sich in eine Mitarbeiterin des Investors. Ist er Alkoholiker oder Weinsammler, fragt er sich und zweifelt an dem eigenen Anblick im Spiegel. Während seiner zwölf- bis 14-stündigen Arbeitstage ist er umgeben von dienstbaren Geistern – der Chauffeur, der persönliche Referent, der Terminmacher, der Fachreferent, die Sekretärin … – und von Menschen, die er zynisch „mimetische Arschkriecher“ nennt. Es sind die, die ihm immer recht geben und seinen Gesichtsausdruck spiegeln, um sich bei ihm anzubiedern.
In einem bösen Augenblick nimmt er sich vor, überraschend seine Mimik während eines Gespräches zu ändern und malt sich maliziös aus, wie seine Gesprächspartner darauf reagieren würden. Dieser Mann verantwortet in der Öffentlichkeit die Planung eines kulturellen Großprojektes und erlebt dabei, dass Kultur zur Standortentscheidung verkommt und Worthülsen über „Leuchtturmprojekte“ um sich greifen. In dem Roman werden hunderttausende Euro für Gutachten ausgegeben, die gespickt sind von hohlen Phrasen über kulturelle Erlebnisräume; im perfekten Marketing-Denglisch werden Kosten mittels prächtiger PowerPoint-Präsentation schöngerechnet. Wochen später weiß Dr. Georg Glabrecht, „dass er in der Scheiße steckt“. Adriana, seine junge Geliebte und Assistant of Management Directory des Inverstors, entzaubert sich, die Presse stürzt sich auf die unseriösen Planungen, der Bürgermeister tobt und die Opposition fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss … Wie zufällig können Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sein?
Der Autor Wolfgang Schömel ist Schriftsteller und Literaturreferent in der Hamburger Kulturbehörde. Er lebt in Hamburg und Bremen. Er las aus seinem Buch im Rahmen der Lesungen in der Speicherstadtrösterei.