Die Kunstszene als Labyrinth
Gemeinsame Saisoneröffnung der Kontorhausviertelgalerien
Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt: Ein Ausflug in die Kunstszene hat immer auch einen sozialpsychologischen Aspekt. Nirgends sonst als bei dem gemeinsamen Start der Galerien in die Saison – in diesem Fall in die Herbstsaison – kann man so gut Studien am gemeinen Kunstfreund machen wie hier. Diese Art von Beobachtungen tröstet dabei auch gut über gelegentlich totlangweilige oder schlechte Kunst hinweg. Zunächst einmal gilt festzustellen, dass die Freunde der Kunst auch Freunde der geistigen Genüsse sind. Ganz besonders sind sie dem Alkohol zugetan. Die Beobachtung dazu: Gibt es was umsonst zu trinken, ist die Galerie voll, sind Bier und Wein alle, zieht man zur nächsten Galerie weiter.
Dass dabei die gezeigte Kunst nur von sekundärem Interesse ist, zeigt die Körpersprache, die gemeinhin der eigentlichen Kunst den Rücken zeigt und sich eher dem im Trunke verbundenen Mitkunstfreund zuneigt. Doch genug der bösen Gedanken, im Kontorhausviertel gibt es durchaus mehr als nur Kunstfreunde zu begutachten. Wer sich immer noch nicht mit der Gegenwartskunst anfreunden kann, könnte sich ja mal in Ruhe die spannende Architektur der Kontorhäuser ansehen. Neben dem Klassiker des Chilehauses gibt es noch eine ganze Reihe von Höfen, bei denen man sich im Detail verlieren kann – man hat ja Zeit mitgebracht. Der neue Standort der Galerie PopArtPirat bietet zudem den interessanten Blick in ein 20er-Jahre-Treppenhaus und die Fahrt mit einem Paternoster.
Was will man mehr? Kunst zum Beispiel! Und es gibt tatsächlich auch Spannendes zu sehen: In der Galerie Mikiko Sato sind Horitas Aluminiumwerke unter dem Titel „Das unsichtbare Sehen“ zu sehen – kompakt und durchaus für eine Zeitlang fesselnd. Das Gegenteil sind die Fotografien von Christian Patterson unter den Titeln „REDHEADED PECKERWOOD“ und „SOUND AFFECTS“ in der Galerie Robert Morat.
Obwohl international gefeiert sind die Bilder weitaus weniger interessant als die dazugehörige Geschichte – technisch auf dem Niveau von Schnappschüssen und nicht wirklich fesselnd. Da sind die schwarz-weißen Bilder von Thomas Jeppe in der Galerie Conradi viel interessanter, zumal es in der Galerie Conradi noch einen Keller mit Überraschungen zu entdecken gibt. Erstaunlich, was so eine gemeinsame Eröffnung zutage fördert. Vielleicht tatsächlich mal eine Entdeckungsreise ohne das Ziel des Alkoholgenusses wert – dafür gibt es im Kontorhausviertel auch abseits der Galerien genügend Gelegenheiten. (MK)