Die verbotenen Gärten
Buchtipp: „White Man“ von Sara Johnsen
„Er ist gekommen. Smiley. Es hat eine Zeit gedauert, bis ich ihn sehen konnte. Ich bin dabei zu verschwinden. Er hat etwas über meinen Körper gestreut. Es waren Blüten, Blüten aus all den Gärten, in denen wir waren?“
Für das norwegische Paar Catherine und Thomas endet der Urlaub auf einer paradiesischen Insel in einer Katastrophe. Beide versuchen, das Geschehene, bei dem ein Mann ums Leben kommt, auf ihre Weise zu verarbeiten. Thomas sucht nach einer Erklärung, Catherine sieht die Tragödie als tragischen Zufall. Was wird aus ihnen werden. Können und werden sie zusammen weiterleben?
Der junge Insulaner Joseph schildert das Geschehene, und wie es dazu kommen konnte, aus seiner ganz eigenen Perspektive. Joseph ist schwarz; er kommt aus ärmlichen Verhältnissen. Nach der Schule erkundschaftet er mit seinem Freund Smiley die Gärten der Reichen. Josephs Vater ist dominant und ambitioniert und will in die Politik gehen – und für die Rechte der Schwarzen kämpfen.
Joseph liebt Susan, eine weiße, reiche und 20 Jahre ältere Britin, die ihre Villa auf der Insel nur in ihren Urlauben besucht: „[…] am nächsten Tag ist sie abgereist. Ich sitze auf der Mauer und betrachte die geschlossenen Fenster, bis die Sonne immer weiter sinkt und die Scheiben rosa färbt. In der Hecke an der Mauer machen sich die Vögel bereit für die Nacht, ich wünschte, ich könnte einfach dasselbe tun. Meine Flügel falten und Ruhe finden, so lange schlafen, bis Susan wiederkommt.“
Auch Susan versucht, das schreckliche Ereignis zu verarbeiten; am schlimmsten ist für die depressive Frau die Tatsache, dass sie gar nicht genau weiß, was überhaupt geschehen ist. Auf Anraten ihres Psychologen gibt sie ihre Geschichte in Form eines Tagebuchs wieder. „Die Scheinwerfer zeichnen Streifen in den Regen und über den Strand, doch wo die Lichtstrahlen enden, ist nichts mehr zu sehen, nicht einmal die Ahnung der schäumenden Wellenkronen. Das Meer verschmilzt mit der Nacht. Ich war noch nie so einsam.“
Geschickt baut Johnsen die unterschiedlichen Perspektiven der Erzählenden aufeinander auf und lässt sie in einen Dialog treten: Wie Mosaiksteinchen fügen sich die verschiedenen Parts zu einem ganzen Bild zusammen.
„White Man“ ist nicht nur die Liebesgeschichte eines ungleichen Paares, sondern gleichzeitig ein psychologischer Thriller: Beklemmende und verstörende Szenen wechseln gekonnt mit beeindruckenden Beschreibungen der Natur und der verschiedenen Charaktere.
„White Man“ ist das erste Buch von Sara Johnsen, das auf Deutsch erscheint.
Absolut lesenswert! (AF)
„White Man“ ist am 12. Februar 2013 im mareverlag erschienen.
19,90 Euro, gebundene Ausgabe