Ein leidenschaftlicher Europäer rechts und links des Rheins
Seit Jahrzehnten ist Daniel Cohn-Bendit ein engagierter Streiter für ein vereintes und grünes Europa. Die ehemalige APO-Ikone ist sowohl in der deutschen als auch in der französischen Politik zu Hause. Beim Montag an der Spitze im Spie gel-Gebäude stand der fast 68-jährige Alt-68er Rede und Antwort
Er ist Politiker und Publizist, er ist Deutscher, aber in Frankreich geboren und sein Interesse gilt beiden Ländern gleichermaßen, in den letzten Jahren aber noch mehr dem großen Ganzen: Daniel Cohn-Bendit ist ein leidenschaftlicher Kämpfer für Europa. Die diesjährige Auftaktveranstaltung der Kooperation zwischen dem SPIEGEL und der Körber-Stiftung der Serie „Der Montag an der Spitze“ sollte vor dem Hintergrund des 50. Jahrestages der deutsch-französischen Freundschaft das Verhältnis beider Länder behandeln. SPIEGEL-Chefredakteur Georg Mascolo und Auslandsressort-Leiterin Britta Sandberg hatten allerdings ihre liebe Müh’, ihren Gast Cohn-Bendit immer wieder zu diesem Thema zurückzuführen, zu begeistert war der ausgewiesene Frankreichexperte von seiner Idee, mutig ein vereinigtes Europa anzugehen. „Unsere Zukunft liegt im europäischen Potential, das wir mobilisieren müssen“, sagte der Politiker.
Für die Rolle, die Frankreich und Deutschland in Europa spielen sollen, hatte der Europaparlamentsabgeordnete gleich mehrere Vorschläge parat: Einer der wesentlichen ist für ihn, dass Frankreich seinen Sitz im Sicherheitsrat mit Deutschland teilen solle. Damit falle es Deutschland schwerer, sich – wie jetzt in Mali – herauszuhalten. „60 Jahre nach dem Krieg geht es nicht mehr, immer zu sagen: ohne uns“, sagte der frühere Wortführer der Sponti-Szene, „für unsere Sicherheit können wir nur gemeinsam eintreten, sonst wird das nichts.“ Europa muss in der Welt einen gemeinsamen Auftritt haben, forderte Cohn-Bendit: „Können Sie mir sagen, warum es in Kuala Lumpur 27 europäische Botschaften gibt?“
Die Herausforderungen der Globalisierung ließen sich insgesamt national nicht mehr lösen. „Wir müssen die europäische Demokratie vollenden“, so Cohn-Bendit. Nach seinen Vorstellungen wird im Jahre 2014 ein Konvent einberufen, bei dem nationale Vertreter ein europäisches Grundgesetz ausarbeiten, über welches dann in den einzelnen Staaten abgestimmt wird. Außerdem unterstützt er eine Initiative, bei der es jedem jungen Menschen ermöglicht wird, ein Jahr innerhalb von Europa zu arbeiten. „So bauen wir ein vereintes Europa von unten auf“, sagte der überzeugte Europäer. Keiner der Beteiligten dürfe sich dabei über den Tisch gezogen fühlen. Deutschland und Frankreich, um noch einmal auf das Thema des Abends zurückzukommen, müssten im Sinne Europas wieder mehr zueinander finden, so wie sie vor 50 Jahren durch den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle nach langer Feindschaft aufeinander zugegangen seien – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die derzeitige „gewisse Entfremdung“ auf politischer Ebene, so Britta Sandberg, sehe Cohn-Bendit nicht als so schwerwiegend an: François Hollande und Angela Merkel hätten im Prinzip ähnliche Charaktere, sie seien beide sehr vorsichtig und ein bisschen „schwammig“. In einem Punkt sei Hollande Frau Merkel allerdings voraus: Er habe den Fiskalpakt durchgesetzt. „Und ich wette“, sagte Cohn-Bendit, „nach der Bundestagswahl haben wir dann auch eine Investitions- und Schuldenunion.“ Da wetteten die SPIEGEL-Redakteure nicht dagegen …
Die Gesprächsreihe wird am Montag, dem 25. Februar im KörberForum fortgesetzt. Zu Gast ist dann der Kanzlerkandidat der SPD Peer Steinbrück. (DG)