Eine ungewöhnliche Nachtwanderung
Lumen Christie's mit Taschenlampe und Gesang
Über die Kreuzwege 2008 ist inzwischen viel geschrieben worden, kluge Bemerkungen zu den einzelnen Kunstwerken, Erbauliches über den Sinn und religiöse Bedeutungen. Den eher sinnlichen und spielerischen Charakter der Führungen erlebt man abends bei den Nachtführungen, die Donnerstags um 19:00 Uhr starten. Wer mag und die Veranlagung dazu hat, kann eine halbe Stunde früher den Abend mit Meditation beginnen, für andere beginnt die Führung dann um sieben im Kirchenschiff der Katharinenkirche.
Glück hat bei diesen Führungen derjenige, der sowohl durch den eigentlichen Guide, meist Studenten der HfbK, als auch durch einen oder besser beiden der Organisatoren, Frank Engelbrecht und Rolf Kellner, begleitet zu werden. Dann bekommt die Führung Dynamik und durch wechselnde Rollen entsteht eine kirchliche Kunst-Stadtführung, in der die drei Guides nicht zwingend die erwarteten Aspekte dieses Weges abdecken. Da wird der Pastor zum Stadtführer und der Architekt zum Sinnsucher.
Gleich zu Beginn fällt auf, dass die Mehrzahl der Teilnehmer Frauen sind. Von den zwanzig Teilnehmern an diesem Abend sind drei Männer und der Rest Frauen jeden Alters. Laut Auskunft von Rolf Kellner ist dies bei Kunstführungen aber ein durchaus übliches Verhältnis. In der Kirche selbst erwarten einen zwei großvolumige auffällige Installationen. Zum einen der Altar von Max Frisinger, der so gut in die Kirche passt das gleich mehrfach die Forderung nach einem dauerhaften Verbleib in der Katharinenkirche gestellt wurde und zum anderen "Engelbrechts Wildnis" von Verena Issel und Stefan Vogel, bei der auf einem aus geometrischen Pappflächen bestehenden Berg eine Reihe von Pappärzten mit drehenden Armen das anatomische Empfinden des Betrachters beleidigen.
Dann geht es hinaus in die Dunkelheit und die Stadtführung beginnt. Im Katharinenviertel wird über sozialen Wohnungsbau der Achtziger, Traufwechsel in Hamburg nach dem großen Brand und verschwundene Fleete referiert. Die Kunst kommt dann wieder zum Zuge wenn an Hartmut Gerbschs "HafenCity Bedarf" haltgemacht wird, der dann leider gängige Vorurteile zum Leben in der HafenCity, dafür allerdings durchaus sehenswert, in einem Schaufenster in Szene gesetzt hat. Dann wechselt die Gruppe über die Jungfrauenbrücke in die Speicherstadt und begegnet sich selbst in den Spiegeln von Adriane Steckhan über dem alten Zolldurchgang.
Auf dem Weg zum Höhepunkt des Abends wird auf der Kibbelstegbrücke gestoppt, an den Kleidungsstücken von Maria von Lenthe, die durch Scheinwerfer erleuchtet an der Wand hängen und jetzt in der Dunkelheit besonders zur Geltung kommen. Doch dann geht es in die Harbour-Hall, Bach hören. Den Teilnehmern ist anzumerken, das bevor Musik an die Reihe kommt, mehr die Neugier auf das Innere eines HafenCity-Hauses überwiegt. Die Harbour-Hall ist hier, natürlich im postiven Sinne, besonders geeignet mit einem außergewöhnlichen Innenhof die Vorurteile der Teilnehmer zu bedienen. Martina Schänzle und Natascha Protze nutzen dann auch diese Innenhalle mit sehr guter Akustik für ihre Performance und schreiten singend und Saxophon spielend die verschiedenen Ebenen und Treppen der Harbour-Hall ab.
Weiter geht es über die Magellan-Terrassen und dem "Wünsche versenken"-Floß von Julia Münz und Annika Unterburg zu einem der umstrittensten Kunstwerke der Kreuzwege: Den zu einem Kreuz zusammengestellten Klohäusern von Marnie Moldenhauer. Bevor bekannt wurde, das die Klohäuser zu den Kreuzwegen gehörten, dachte durchaus der eine oder andere Anwohner, die Baustelle am Kaiserkai 1, die ja demnächst fertig gestellt ist, hätte schonmal aufgeräumt, und aus der Ebene der Promenaden ist die Kreuzform auch nicht zu erkennen.
Schon auf den Magellan-Terrassen wechselt das Interesse der Teilnehmer. Nun ist die Kunst das Beiwerk, und die HafenCity der Hauptakteur. Neugierig wird in die erleucheteten Fenster gespäht, in denen die großformatigen Bildschirme das Mitsehen aus größerer Entfernung bequem ermöglichen. Viele sind dann auch überrascht, wieviele Fenster schon erleuchtet sind, jede Information wird gierig aufgesogen. Carola Zechs lackierte Kacheln, die am Flutschutztor des Kaisers hängen begeistern die Kreuzgänger dann aber ebenso wie die Erkenntnis, das es schon eine geöffnete Kneipe in der HafenCity gibt, die aber zu diesem Zeitpunkt nur durch ein einsames Paar bevölkert wird.
Weiter geht es zu einer der letzten Station, der Lichtinstallation von Katrin Bethge, die sehr ästhetisch die Fassaden der Bergedorf-Bille-Genossenschaftshäuser beleuchtet. Da aber der Zug durch die ständig wachsende Anzahl der Geschichten von Frank Engelbrecht und Rolf Kellner schon sehr lange für den Weg gebraucht hat, wird die Betrachtung der Projektionen durch die Zeitschaltuhr beendet, die Punkt 21:00 Uhr das Licht erlöschen läßt. Zurück in der Speicherstadt geht die Konzentration wieder ganz auf die Kunst zurück. Am Zollzaun am Fuss der Kibbelstegbrücke hat Arne Lösekann ein Sammelsurium von Dias, Objekten und Nichtidentifizierbaren In Schaukästen oder einfach am Zaun befestigt. Die Objekte sind in der Dunkelheit nur mit den Taschenlampen der Guides zu erkennen, die Schaukästen zeigen dafür umso deutlicher
die Dias.
Beendet wird der Kreuzweg dann wieder an der Katharinenkirche, wo noch ein letztes Kunstwerk wartet, die Pieta von Jörg Plickat, die dann auch die Überleitung zur nächsten Aktion bietet und daher ein passendes Ende ist. Wer selber diesen Weg erleben möchte hat noch bis zum 6.4. die Gelegenheit dazu. Die letzte Nachtführung ist dann am nächsten Donnerstag, also hin und Gelegenheit nutzen. Kostenbeitrag fünf Euro.