Endlich was Warmes
Wenn es Nacht wird – Der Mitternachtsbus – unterwegs für Obdachlose
Es ist Samstagabend, 20 Uhr. Aus dem Saturn an der Mönckebergstraße kommen die letzten Käufer und eilen mit ihren Einkaufstüten Richtung Hauptbahnhof, um nach Hause zu fahren. Der Technikmarkt lässt die eisernen Rollläden herunter. Es ist Samstagabend, das Thermometer zeigt minus 6 Grad. An der Bushaltestelle wartet eine Gruppe Menschen. Sie warten nicht auf den Bus, der sie nach Hause bringt; viele von ihnen haben kein Zuhause. Diese Menschen warten auf den Mitternachtsbus.
Der Mitternachtsbus der Diakonie Hamburg fährt jeden Abend zu den Schlafplätzen der Obdachlosen. Die Helfer arbeiten ehrenamtlich und verteilen Getränke, Brötchen, Kuchen und auch warme Kleidung. Seit 1996 ist der Bus im Einsatz, circa 140 Ehrenamtliche helfen. Pro Fahrt, die um 19 Uhr startet und um Mitternacht endet, sind vier Helfer im Einsatz. Die Route beginnt, nachdem der Wagen mit Getränken und Brötchen aus einer nahegelegenen Bäckerei bestückt wurde, am Hauptbahnhof. Danach geht es weiter, Richtung Bahnhof Altona, mit vielen festen Zwischenstopps.
Heute am eisigen Abend sind Taschentücher sehr begehrt. Kurz nach 20 Uhr trifft der Bus ein, circa 30 Menschen stellen sich geduldig an der Getränkeausgabe und an der Ausgabe für Brötchen an. Es sind Deutsche, Ausländer, junge und alte Menschen, Männer und auch Frauen. Die Stimmung ist friedlich, für jeden ist etwas dabei, sei es eine heiße Brühe, Kaffee mit Zucker oder ein Pfefferminztee. Die Helfer sind gut gelaunt, und die Gäste, wie die Bedürftigen respektvoll genannt werden, sind dankbar – vor allem darüber, dass sie ein paar Worte wechseln können. Es komme vor, dass dieselben Gäste am selben Abend an mehreren Standorten wieder auftauchen – weil sie hier die Möglichkeit haben, zu reden, und weil ihnen hier jemand zuhört. Traurig sei es nur, wenn jemand krank ist – und man ihn zurück lassen muss, so Inez Laabs.
Die Ehrenamtlichen heute Abend sind zwischen 1,5 und 14 Jahren dabei – im Schnitt habe man eine Fahrt im Monat, so Horst Behrendt. Die Stimmung ist locker, ein Gast hätte gern Schweinebraten – alle lachen. Er bekommt ein Frikadellenbrötchen. 98 Prozent der Gäste seien freundlich und friedlich und warten, bis sie an der Reihe sind. Und wenn doch mal ein Querulant dazwischen ist und sich vordrängeln will, wird dieser von den anderen Gästen zur Ordnung gerufen.
Ein männlicher Gast lächelt und macht ein Zeichen, dass ich vor ihm dran sei. Eine Frau fragt freundlich, ob ich mir das nur anschaue – sie wäre gestern Abend schon mal hier gewesen. Sie bräuchte neue Schuhe – und freut sich sichtlich über die Aufmerksamkeit, die man ihr schenkt.
Was sind wir für eine Gesellschaft, in der Essen einfach weggeworfen wird, fragt Inez Laabs und zeigt auf die ganzen übriggebliebenen belegten Brötchen und Kuchen, die eine Bäckerei abends zur Verfügung stellt – und die so dankbar von denen angenommen werden, die nichts haben. Ob ihm nicht kalt sei, wird ein junger Mann gefragt, der, nur mit einem Pullover bekleidet, am Standort Petrikirche ansteht. Er würde gleich wieder in seinen Schlafsack kriechen, alles sei okay, aber einen heißen Kaffee hätte er gern. Schlafsäcke würden für Euro 2,50 abgegeben – damit diese von ihren Besitzern auch pfleglich behandelt werden. Einen schönen Abend noch, wünscht ein Gast, bevor der Bus zu seinem nächsten Standort aufbricht. Morgen wird er wieder hier sein – wie alle 365 Tage im Jahr. (AF)
Der Mitternachtsbus wird durch Spenden ermöglicht, die für den Betrieb des Busses, Schlafsäcke, Decken und die Projektorganisation benötigt werden.
Spendenkonto: Diakonisches Werk Hamburg, Hamburger Sparkasse, Kontonummer 1268125125, BLZ 20050550, Verwendungszweck: Mitternachtsbus