Ganz normal
Die HafenCity ist Hamburgs Vorzeigestadtteil – so sagt man. Hier werden Stadtplanungsprozesse durchdekliniert und von Soziologen begleitet, die Gehwege sind meist sauber und alles hat seine Ordnung. Oberste Prämisse der Planer: Die HafenCity soll ein ganz normaler Stadtteil werden, nicht aus der Retorte, mit Leben gefüllt und lebendig und bitte schön kein Reichenghetto. Das hat bisher nur begrenzt geklappt – der Durchschnittsverdiener muss sich schon ganz schön strecken oder gute Beziehungen haben, um eine Wohnung in Wassernähe zu ergattern.
Aber mal genau hingesehen gilt das inzwischen für fast alle Wohnungen innerhalb des Ring 2. Mit dem Drittelmix wird sich die soziale Mischung in der HafenCity radikal ändern und ändert sich bereits – die ersten geförderten Wohnungen sind schon bezogen. Dazu kommen ab Mitte des Jahres noch rund 700 Flüchtlinge an den Elbbrücken, es wird richtig bunt und international in der HafenCity – manchem aber auch schon zu bunt.
Schon bei der Vorstellung, dass demnächst das Problem anderer Leute zu einem Problem vor der eigenen Haustür werden könnte, wird der Untergang des Abendlandes beschworen, ein Verfall der Immobilienpreise, und man wähnt sich schon fast im tiefsten Sachsen. Dabei zeugen diese Art von Vorurteilen eigentlich nur von mangelndem Selbstbewusstsein. Überall sonst dürfen Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden – nur nicht vor der eigenen Haustür. Dabei sollte gerade die HafenCity in der Lage sein, ihre Probleme zu lösen, zumal ja nun wirklich dafür Sorge getragen wurde, dass die Unterkünfte am äußersten Rand der HafenCity gebaut werden – fast schon in Rothenburgsort.
Als wirklich internationaler Stadtteil – wer hier tagsüber auf den Straßen unterwegs ist, hört mehr Sprachen als in sonst irgendeinem Stadtteil – sollten wir in der Lage sein, mit Flüchtlingen umzugehen.
Treppenwitz der Geschichte ist ja noch etwas ganz anderes: Uns erreichen inzwischen Leserbriefe von neuen Anwohnern, die sich über das hohe Niveau der Preise im Einzelhandel beschweren – es muss also von beiden Seiten aufeinander zugegangen und an den Vorurteilen gearbeitet werden.
Viel Vergnügen beim Lesen! Ihr Michael Baden