Geschäftsgründungen in der HafenCity
Chance und Risiko
Wenn man mit den Einzelhändlern und Gastronomen in der HafenCity spricht und sie nach ihren Wünschen und Erwartungen vor der Eröffnung und der Realität nach der Eröffnung befragt, stellt man immer wieder fest, dass zum Teil große Diskrepanzen zwischen Schein und Sein liegen. Die HafenCity kann gleichzeitig Traum und Albtraum sein – ohne dass es irgendetwas mit den kaufmännischen Fähigkeiten, Kompetenzen oder guten Willen des jeweiligen Unternehmers zu tun hätte. Wo liegen die Fallstricke einer Existenzgründung in der HafenCity?
Das Bild der Medien erzeugt in den Köpfen der Menschen das Bild der HafenCity als einen Stadtteil der Reichen. Die Realität sieht aber viel normaler aus. In der HafenCity leben überwiegend Menschen mit ganz normalen Bedürfnissen und ganz normalen Lebensgewohnheiten. Selbst wenn die ansässige Bevölkerung die Neigung hätte jeden Tag abends essen zu gehen, bedeutet es noch lange nicht, dass sie das zwangsweise auch in der HafenCity tut. In der Demografie des Stadtteils gibt es gleich noch einen zweiten Fakt zu korrigieren: Die Bevölkerungszahl. In der offiziellen Sprachregelung geistern zur Zeit Zahlen von 1.500 bis zu 2.000 Menschen die in der HafenCity leben. Das ist schlicht eine Fehlannahme basierend auf fertiggestellten Wohnungen. Diese Menschen könnten hier leben – sie tun es nur nicht. Wer sich unter Nachbarn umhört gewinnt einen Eindruck über die tatsächliche Anzahl der Menschen die tatsächlich hier ansässig sind – also dauerhaft leben. Dabei gilt die Faustregel: Je teurer die Wohnung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Wohnung nicht dauerhaft bewohnt ist oder nur Zweit- oder gar Drittwohnung ist. Auch bei den Menschen mit Erstwohnsitz in der HafenCity liegt der Anteil von Menschen mit Berufen mit hoher Reisetätigkeit sehr hoch.
Wer als Unternehmer also damit rechnet endogenen Umsatz mit Einwohnern zu machen, zieht besser in Betracht, dass von den vermuteten über 1.000 Anwohner mehr als die Hälfte nicht dauerhaft als Kunden oder Gäste zur Verfügung stehen. Wenn das nicht berücksichtigt wird, kommt es zu Enttäuschungen wie bei einem Luxus-Einrichter am Kaiserkai, der nach einem Jahr sein Experiment beendete und sich an seinen Stammsitz zurück gezogen hat.
Außer den Anwohnern gibt es noch drei Gruppen von Menschen die als Konsumenten für Unternehmer in der HafenCity in Frage kommen.
Touristen, Angestellte und Handwerker. Die letztere Gruppe, da nur ein temporäres Phänomen, kann getrost bei allen folgenden Betrachtungen außer Acht gelassen werden, bei den anderen Gruppen lohnt es sich einen Blick auf Verkehrsströme zu werfen. Ein Tipp dabei für zukünftige Unternehmer: Ein Spaziergang in der HafenCity bei schönem Wetter reicht nicht aus um zu wissen, wie die HafenCity tickt. Viel ernüchternder kann ein Gang bei schlechtem Wetter sein, wenn der Wind um die Häuser fegt und der Regen waagerecht gegen die Scheiben prasselt. Dann sind die Promenaden und Plätze wie ausgestorben und auch die sturmerprobten Anwohner bleiben zu Hause. Dabei sollte es bei schönem Wetter nicht überraschen, dass die Wege und Plätze am Wasser eine höhere Attraktivität haben, als die Straßen, sofern sie nicht notwendig sind um zu Fuß in die HafenCity zu kommen. Und – ein ganz wichtiges Element: Wie sieht die Planung von Baustellen und anderen Hindernissen in der näheren Zukunft aus? Baustellen verändern Straßen und Laufwege nachhaltig. Oliver Anhuth, Geschäftsführer und Eigentümer des Gaastra-Shops am Kaiserkai, kann davon ein Lied singen – ein trauriges Lied. Auf der einen Seite die Dauerbaustelle des U4-Notausstieges, in der Hauptlaufrichtung die Aussicht auf eine weitere Baustelle auf der Straße – ein Brunnen für die Elbphilharmonie, dazu der Ausfall der U3 am Baumwall dieses Jahr und die mehrere Monaten dauernde Sperrung der Sandtorhafenklappbrücke nächstes Jahr – keine Aussichten die einen Geschäftsmann, der auf Laufkundschaft hofft, Mut machen. Bei ihm hat dies jetzt zu der Einsicht geführt dem Abenteuer HafenCity den Rücken zu kehren und sein Geschäft durch einen potenteren Nachfolger weiterführen zu lassen.
Ein weiterer häufig übersehener Faktor für Ärger und Kosten sind die Gestaltungsrichtlinien und Vorstellungen seitens der HafenCity Hamburg GmbH oder der Architekten. Für alle Außengestaltungen wie Bestuhlung, Sonnenschirme und Lichtreklamegibt es klare Vorschriften. Keine Werbesonnenschirme, nur Holzbestuhlung und viele weitere Kleinigkeiten erfordern Verhandlungsgeschick und ein dickes Fell beim Existenzgründer. Auch die Architekten der Häuser haben auch nach Fertigstellung der Gebäude ein Mitspracherecht und sehr konkrete Vorstellungen bei der Gestaltung von Lokalen. „Eine Markise an dieser Stelle? Geht gar nicht!“ oder „Leuchtreklame? Aber bitte nur so!“ und natürlich muss die Farbgestaltung auf das Gebäude ausgerichtet sein. Dabei können Ideen schlicht daran scheitern oder für zu viel Ärger führen, dass bei der Planung kein Fettabscheider für die Gastronomie vorgesehen war, oder die Belüftung schlecht ausgeführt ist. Dauerärger mit den Nachbarn ist da vorprogrammiert.
Das Gespräch mit den zukünftigen Nachbarn und den schon ansässigen Geschäftsleuten erspart Enttäuschungen – und bringen unter Umständen Informationen die extrem wichtig sind. Häufig arbeiten im Hintergrund viele Menschen mit den gleichen Ideen und „Murphy“ lauert überall. Dann gibt es plötzlich nicht nur ein Geschäft mit der gleichen Ausrichtung, sondern gleich drei – mehrfach geschehen und es wird sicherlich auch in Zukunft wieder passieren.
Die HafenCity braucht noch ein wenig, um sich zu einem normalen Stadtteil zu entwickeln. Die Fertigstellung der Elbphilharmonie ist da der Meilenstein und eine solch lange Anlaufzeit sollte der Existenzgründer einkalkulieren und sich entsprechend mit seinem Vermieter ins Vernehmen setzen. Die Nachbarn tun im Übrigen ihr Bestes um Startern auf die Beine zu helfen – es sind aber eben weniger als man denkt.